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Noch eine Doppel­spitze

Am 23. Februar gab Miuccia Prada bekannt, dass Raf Simons neben ihr Kreativdirektor wird

Dahinter steht wohl kein reines Verkaufskalkül

Von Donna Schons

Die Mailänder Modewoche ging gerade zu Ende, als eine letzte Neuigkeit auf den Plan trat, die alles zuvor Geschehene in den Schatten stellte: In einer Pressekonferenz am 23. Februar teilte Miuccia Prada mit, dass sie sich die Kreativdirektion ihres Labels fortan mit Raf Simons teilen werde.

Prada legte Mitte der 90er Jahre den Grundstein für jenen Ugly Chic, der in der vergangenen Dekade unter anderem bei Gucci, Balenciaga und Acne wieder auflebte. Gut möglich, dass ihre gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Simons sich als ähnlich visionär herausstellen wird wie ihre wilden Muster- und Stoffkombinationen.

Kollaborationen sind in den vergangenen Jahren zu einer beliebten Strategie geworden, die Hypes erzeugt und Verkaufszahlen in die Höhe treibt. Dass sich zwei etablierte Designer die Leitung eines großen Modehauses teilen, ist jedoch ein Novum.

Obwohl die Entwürfe der Designerin von Kritiker*innen hoch gelobt wurden, hatte die Prada-Gruppe in den vergangenen Jahren mit Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Ein reines Verkaufskalkül hinter der annoncierten Doppelspitze zu sehen, wäre trotzdem falsch – dafür ist dieser Schritt zu radikal, sind die vertraglichen Freiheiten für Simons, der sein eigenes Label neben seiner neuen Position weiterführen wird, zu groß.

Wie das distinkte Formvokabular Pradas in Simons’gerad­liniger Handschrift aussieht, wird sich kommenden September in Mailand zeigen. Von der Arbeitsweise scheinen die beiden gut zusammenzupassen: statt am Zeichentisch entstehen ihre stark konzeptbasierten Kollektionen im engen Dialog mit ihren Teams, von der klassischen Rolle des selbst schneidernden Couturiers sind sie dabei weit entfernt.

Dass sie sich großartig verstehen und tief bewundern bewiesen Prada und Simons bereits 2016 in einem gemeinsamen Interview für das Modemagazin System. Prada lamentierte, dass Designer*innen nicht oft genug die Chance hätten zusammenzuarbeiten, und auch Simons kritisierte die rigiden Strukturen der Modeindustrie.

Der belgische Designer imaginierte ein Alternativmodell, in dem Designer*innen zwischen den Häusern changieren wie Gastkurator*innen zwischen den Institutionen: „Ich fände es aufregend, wenn Miuccia eine Saison lang das Label Raf ­Simons leiten würde; ich würde eine Saison für Marc Jacobs in New York machen, und Marc würde Prada übernehmen.“

Bis die Ideen im Modesystem derart frei fluktuieren, ist es mit Sicherheit noch ein langer Weg. Der erste Schritt ist mit Simons’Berufung zu Prada jedoch immerhin getan.

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