piwik no script img

Rot-Grün verzögert Abstimmung

Weil Castrop-Rauxels Stadtspitze eine „Bauchentscheidung“ fürchtet, soll ein Bürgerentscheid nicht am Tag der Bundestagswahl stattfinden. Demokratie-Verein: „Nicht vor dem Bürgervotum fürchten“

VON MARTIN TEIGELER

In Castrop-Rauxel soll ein Bürgerentscheid über eine Schulschließung nicht zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfinden. Heute will die rot-grüne Ratsmehrheit in der Revierstadt beschließen, die durch ein Bürgerbegehren erzwungene Volksabstimmung über den Erhalt einer Grundschule nicht auf den 18. September, sondern auf den 30. Oktober zu terminieren. „Wir wollen keine Bauchentscheidung“, sagte SPD-Bürgermeister Johannes Beisenherz gestern zur taz. Man sei dagegen, dass dieses lokalpolitische Thema im Bundestagswahlkampf untergehe.

SPD und Grüne befürworten die schrittweise Schließung der Grundschule ab dem Jahr 2006, weil dort nicht mehr genügend Kinder eingeschult werden. Dagegen hatten Initiativen per Bürgerbegehren 5.000 Unterschriften gesammelt. Weil die Ratsmehrheit von der Schließung nicht abrücken will, ist nun ein Bürgerentscheid fällig.

„Wovor hat die rot-grüne Mehrheit Angst?“, so Manfred Postel (Freie Wähler). Einziges Ziel sei es offenbar, durch Verfahrenstricks eine möglichst hohe Beteiligung der Bürger zu verhindern; das Bürgerbegehren muss nicht nur die Mehrheit der Abstimmenden hinter sich bringen, sondern gleichzeitig auch mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten (siehe Kasten). Am Tag der Bundestagswahl wäre dies wegen der erwarteten hohen Wahlbeteiligung einfacher als am 30. Oktober.

Nach taz-Informationen war die Entscheidung, nicht am 18. September abstimmen zu lassen, bei den Castrop-Rauxeler Grünen umstritten. „Bei der vorbereitenden Sitzung fehlten zwei Lokalpolitiker urlaubsbedingt“, heißt es aus der selbst ernannten „Bürgerrechts“-Partei. „Wir haben das verschlafen.“

Die Initiative „Mehr Demokratie“ hat SPD und Grüne im Rat ermutigt, den Bürgerentscheid am Tag der Bundestagswahl durchzuführen. „Wer gute Argumente hat, braucht sich vor dem Votum der Bürger nicht zu fürchten“, so Landesgeschäftsführer Daniel Schily. Er verwies darauf, das Wahlen und Abstimmungen an einem Tag andernorts längst Praxis sind. So sei in Versmold (Kreis Gütersloh) am Tag der NRW-Landtagswahl im Mai ein Bürgerentscheid durchgeführt worden.

„Es spricht gesetzlich nichts dagegen, am Tag der Bundestagswahl abzustimmen“, so eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums auf Anfrage. Selbst die Stadt Castrop-Rauxel weist in ihrer Satzung zum Thema Bürgerentscheide im Gegensatz zu anderen Kommunen auf diese Möglichkeit hin. In Paragraph 13 heißt es: „Sofern der Bürgerentscheid am Tag einer Bundestagswahl stattfindet, gelten hierfür die festgelegten Stimmbezirke.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen