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Archiv-Artikel

Kurswechsel in Haus 18

Senat stellt Gesetzesnovelle vor: Maßregelvollzug soll künftig ebenso sehr dem Schutz der Öffentlichkeit dienen wie der Therapie kranker Straftäter

Das Gesetz soll „veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden“

von Elke Spanner

Patienten in Haus 18 des Allgemeinen Krankenhauses Ochsenzoll (AKO) sind künftig nicht mehr in erster Linie als Patienten anzusehen. Tritt das Gesetz über den Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung in Kraft, das der Senat gestern vorgestellt hat, wird der Schutz der Allgemeinheit vor psychisch kranken Straftätern deren Heilung gleichgestellt. Bisher hatte es geheißen, der Aufenthalt in der forensischen Psychiatrie diene „außerdem“ dem Schutz der Allgemeinheit. Diese Formulierung, so Gesundheitsbehördensprecher Hartmut Stienen, habe für „Irritationen“ gesorgt.

Die gab es in der öffentlichen Wahrnehmung: Zwar hat Stienen zufolge die Zahl der Straftaten, die durch psychisch Kranke begangen werden, in den vergangenen Jahren nicht zugenommen. Dennoch herrscht in der Öffentlichkeit ein entsprechender Eindruck vor, dass nämlich vor allem immer mehr Sexualmorde begangen würden.

Die nun vom Senat avisierte Neubewertung, so der Behördensprecher, bringe keine Konsequenzen für die Therapie der delinquenten Patienten mit sich. Da aber die Gerichte immer mehr Straftäter in den Maßregelvollzug einweisen und die Belegungszahlen dort steigen, müsse das Gesetz „den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden“. In der Tat hat sich die Zahl der Patienten in Haus 18 des AKO in den vergangenen Jahren stark erhöht: Die Statistik verzeichnet einen Anstieg von über 200 Prozent zwischen den Jahren 1996 und 2004.

Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass in besonderen Fällen bei der Entscheidung über Vollzugslockerungen eines Patienten die Vollstreckungsbehörde einzuschalten ist. Das wird bereits in einzelnen Fällen so praktiziert, künftig soll dies auf gesetzlicher Grundlage erfolgen. Vorgesehen ist aber nicht, dass diese Hinzuziehung in allen Fällen zu erfolgen hat. Vielmehr soll die Leitung der forensischen Psychiatrie auf die Behörde nur zurückgreifen müssen, wenn die Anlasstat, die Erkrankung und der Behandlungsverlauf des Patienten besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung seiner Gefährlichkeit bieten.

Bereits 2001 gab es den Versuch, regulär mehrere Entscheidungsträger in die Beurteilung eines Patienten einzubeziehen. Nachdem bekannt geworden war, dass zwei in Haus 18 einsitzende Straftäter bei Ausgängen Frauen vergewaltigt hatten, hatte die damalige Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) die regelhafte externe Begutachtung aller Patienten vor Ausgängen angeordnet. Eine Sachverständigenkommission, die die Sicherheitsvorkehrungen unter die Lupe genommen hatte, riet ab: Solches Vorgehen könne die Verantwortlichkeit der Klinik ebenso mindern wie die Gründlichkeit der einzelnen Gutachten.

Diese Expertenkommission kam in ihrem Abschlussbericht im Oktober 2001 zu dem Ergebnis, dass Fehler begangen wurden, strukturelle Mängel aber nicht zu erkennen seien. Der Sicherheitsstandard des Maßregelvollzuges in Hamburg, befand der pensionierte Berliner Generalstaatsanwalt Christoph Schaefgen, sei insgesamt „als sehr hoch zu beurteilen“.

Skeptisch reagierte gestern die SPD-Fraktion auf die Novelle. Der Abgeordnete Rolf-Dieter Klooß erkannte den „Einstieg in den Ausstieg aus der Respzialisierung“: Wenn der Senat glaube, „Freiheitsentzug alleinbereite Straftäter auf ein Leben nach Recht und Gesetz vor, dann ist das ein Alarmsignal“.