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Archiv-Artikel

Man meint es ernst

„Ernst“ im Orphtheater dekliniert schwarzhumorig und nicht ganz geschmackssicher das Hartz-IV-Elend durch

Open-Air und Sommer, das klingt nach realitätsferner, leichter Theaterkost. Das Orphtheater macht trotz sommerlichem Draußenspiel lieber „Ernst“. Der Name ist Programm, die Tragikkomödie hat bissige Momente zuhauf. Der traurige Titelheld Ernst muss sich mit Figuren herumschlagen,die ungeschlachte Karikaturen eines üblen Systems sind – des Hartz-VI-Kosmos.

Ernsts Frau bekommt ein Kind, er hat keine Kohle und noch nicht mal ein zweites Bein. So muss Ernst sich auf den Weg machen, bietet und biedert sich an. Er verzichtet auf den Bankraub nur, weil er nicht schnell genug flüchten kann. Alle Bettelplätze sind auch schon belegt, also verhökert er seine Niere. Als Ernst einem Börsenspekulanten das Geschäft ruiniert, wird er aus Rache vergewaltigt. Schließlich erschlägt Ernst verzweifelt vor Hunger einen Hund.

Der Berliner Autor Igor Kroitzsch schrieb das Hörspiel „Ernst“ fürs Radio. In seiner Theaterinszenierung verlagert Uwe Schmieder den pessimistischen Ton des Textes ins Groteske. Das Elend der ständig scheiternden Hauptfigur wird persifliert, die Bemühungen eines mittellosen Bettlers überhöht Schmieder zu einem Spießrutenlauf, zur Parabel auf die vergebliche Jobsuche eines Hartz-IV-Empfängers.

Das fiktive, aber doch sehr platte Unglück von Ernst bricht Schmieder mit einer hyperbrutalen Realität, die den Boden zu einem doppelten werden lässt: Ein Mann hat sich aus Geldnot in die Luft gesprengt, steht in der Zeitung. Dann stöckelt ein blondperücktes Schlagersternchen aufs Podest und schmachtet über Sehnsucht und Liebe ins Mikro, woraufhin ein Prediger im Takt von Punk rockt, zwei Krankenschwestern sich um den Stich in den Arm des Blutspenders prügeln und ein Gogo-Girl über den Sinn des Kosmos grübelt. Da überrascht es dann auch nicht mehr, dass die Kellnerin an der Realität des Arbeitsmarkts scheitert, muss sie doch eindeutig mehr können als nur kellnern.

Die Comic-haften Figuren werden vom Regisseur einmal durch die Trashmühle gedreht – der Ernst der Sache kippt ins Burleske. Seine Inkarnation gleichen Namens durchhumpelt abgehackt seine Stationen, die grob gezeichnet und immer wieder arg derb daherkommen. Am Ende resümiert er: „Wir haben noch Hoffnung. Selbst wenn es noch ein bisschen schlechter wird als letzte Woche.“

MARIA KRAUSCH

„Ernst“, Orphtheater im Schokoladen, Ackerstr. 169/170, 3. bis 7. 8. und 9. bis 11. 8., 20.30 Uhr