: Pirat segelte einst unter brauner Flagge
PIRATENPARTEI Ein ehemaliger Neonazi einer Kameradschaft ist seit Juli Mitglied bei der Piratenpartei in Niedersachsen. Der Vorfall zeigt: Beim Umgang mit derartigen Fällen tut sich die junge Partei noch schwer
BERLIN taz | Die Piratenpartei ist weiter auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit der Vergangenheit einiger ihrer Mitglieder. Wie nun herausgekommen ist, war ein Neupirat in Niedersachsen jahrelang Kameradschaftskader in Sachsen.
Udo H. war über ein Jahrzehnt fest verankert in der Neonaziszene. Der heute 33-Jährige war Vorsitzender des Jungen Nationalen Spektrums, später Kameradschaftskader. Er wird mehrfach im Brandenburger Verfassungsschutzbericht erwähnt. Er sei jedoch nie Rassist gewesen, beteuert er. Seit Juli ist H. „sehr aktives Mitglied bei uns“, erklärt Niedersachsens Chefpirat Christian Koch der taz. Nachdem die problematische Vergangenheit bekannt wurde, habe es ein Gespräch gegeben. „Udo hat ausführlich geantwortet und glaubhaft Stellung bezogen“, sagt Koch. Jeder habe das Recht sich zu ändern. Für ihn sei die Sache erledigt.
Der Umgang der Piraten mit dem Fall wirkt unglücklich. In Mailinglisten wurde weniger diskutiert, wie inhaltlich zu reagieren sei sondern vielmehr, welcher Schaden für die Partei entstehen könnte. „Ich habe keine Problem mit Udo, sehe aber welche bei den politischen Gegnern und den Medien“, schreibt ein Pirat am 29. September.
Udo H. selbst steht zu seiner Vergangenheit. Mit 14 sei er in die Szene gerutscht, später Kameradschaftskader gewesen. 2004 habe er damit abgeschlossen. „Es ging mir nie um Politik, ich wollte nie Ausländer verkloppen, war nie Rassist“, sagt er der taz. Die Piraten sollten nach links und rechts offen sein und niemanden vorverurteilen. „Wenn jemand rechte Tendenzen zeigt, wird die Partei schon reagieren.“
Christian Koch sieht das ähnlich. „Die Frage ist, ob sich jemand von seiner Vergangenheit diszanzieren muss, um Pirat zu werden.“ Eine Antwort hat er nicht. Viele Piraten befürworten diese Offenheit. „Wenn jemand von der NPD zu uns wechselt – ich würde ihn aufnehmen“, schreibt ein anderes Mitglied auf einer Mailingliste. Und die Nazis wissen das. Auf dem rechten Infoportal gesamtrechts.net forderte Anfang August ein Kolumnist: „Werdet rechte Piraten“.
Die Gefahr einer rechten Unterwanderung sei durchaus gegeben,bestätigt der Magdeburger Rechtsextremismusexperte David Begrich vom Verein „Miteinander“. Entscheidend sei, dass sich die Piraten für diese Leute uninteressant machen und sich klar gegen Rechts positionieren. Er vermutet jedoch, dass sie dazu derzeit „einfach noch überfordert“ seien. PAUL WRUSCH