: Demokratie soll Bethanien retten
Mit einem Bürgerentscheid wollen FreundInnen des Künstlerhauses Bethanien dessen Privatisierung verhindern. Damit würde das neue kommunale Mitbestimmungsgesetz zum ersten Mal angewandt
VON MARTIN MACHOWECZ
Berlins BürgerInnen machen Ernst: Der erste Bürgerentscheid auf Bezirksebene steht an. Die Arbeitsgruppe „Zukunft des Bethanien“ will damit verhindern, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das ehemalige Kranken- und jetzige Künstlerhaus an einen privaten Investor verkauft. „Das gab es in einem Bezirk noch nie“, sagte Michael Elfer vom Verein „Mehr Demokratie“. Mitte Juli war vom Abgeordnetenhaus ein Gesetz – Name: „Mehr Demokratie für Berlinerinnen und Berliner“ – verabschiedet worden, das solche Entscheide erst möglich machte. Elfer berät jetzt die 15-köpfige Arbeitsgruppe. Deren Mitglieder sind KreuzbergerInnen aus dem Mariannenkiez, aber auch SozialarbeiterInnen sowie politische und soziokulturelle Gruppen.
Am Mittwochabend beschlossen sie im ehemaligen Speisesaal des Künstlerhauses, das Bürgerbegehren anzustrengen. „Das Bethanien ist ein symbolträchtiger Ort“, sagte Wolfgang Lenk von der Arbeitsgemeinschaft. „Die Besetzung durch die Yorck-Leute vor einigen Wochen hat uns darauf aufmerksam gemacht, wie viel Geschichte im Haus steckt.“ In den Siebzigern war das Bethanien eines der ersten besetzten Häuser der Stadt, schnell bildete sich hier eine alternative Kunstszene. Im Juni besetzten ehemalige BewohnerInnen des kurz zuvor geräumten linken Hausprojekts Yorck59 Teile des Gebäudes.
Lenk und seine Mitstreiter wollen ein soziokulturelles Zentrum aus dem Bethanien machen und es damit als einen der Mittelpunkte Kreuzbergs wiederbeleben. Die Pläne der Bezirksverwaltung, das Haus zu verkaufen, verurteilt die Gruppe: Investoren hätten nur ihren Gewinn, nicht aber das Bethanien im Kopf. „Wir wollen deshalb die Privatisierung verhindern“, so Wolfgang Lenk.
Peter-Rudolf Zotl (PDS), der als Mitglied des Abgeordnetenhauses maßgeblich am neuen Mitwirkungsgesetz beteiligt war, ist optimistisch, dass es zumindest zum Begehren kommen wird. „Wir haben einen Passus eingebaut, der besagt, dass sich Bürgerentscheide gegen den Verkauf öffentlicher Gebäude an Privatinvestoren wenden können“, sagte er. Diese Regelung sei zwar eigentlich für Einrichtungen wie Kindertagesstätten gedacht. „Mit dem Bethanien könnte das aber auch funktionieren.“
Wenn der Antrag beim Bezirksamt eingegangen ist, muss dieses noch vor Beginn der Unterschriftensammlung eine Kostenschätzung vornehmen. Diese Information sei, so Zotl, wichtig für die Abstimmungsberechtigten. „Bürger, die für die Initiative unterschreiben und später auch zur Abstimmung gehen, müssen wissen, welche Kosten ihre Entscheidung verursacht.“ Soll heißen: Die öffentlichen Kassen werden im Falle eines Erfolgs der Bürgerinitiative die Unterhaltungskosten des Gebäudes tragen müssen. Damit das Begehren zustande kommt, müssen es 3 Prozent der Wahlberechtigten des Bezirks unterstützen – nötig sind also rund 6.000 Unterschriften.
„Wir bleiben bei unserem Plan, das Bethanien bis zum 1. Januar 2006 verkauft zu haben“, kommentierte der Finanzstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Lorenz Postler (SPD), die Pläne der Arbeitsgruppe. Denn: „Die Immobilie ist im Unterhalt ziemlich teuer.“ Wie teuer, sagte er nicht. Nach Veröffentlichung der Kostenschätzung ist dies aber bekannt.
In zwei bis drei Wochen will die Arbeitsgruppe ihren Antrag auf ein Bürgerbegehren beim Amt einreichen, sagte Simone Kypke, die gleich neben dem Bethanien wohnt. Bis dahin haben sie und ihre MitstreiterInnen alle Hände voll zu tun. „Wir suchen uns gerade Rechtsbeistand“, sagt sie und holt tief Luft. „Es muss alles schnell gehen, sonst ist das Gebäude weg, bevor wir den Entscheid begonnen haben.“ Dass jetzt versucht werde, vor dem Entscheid noch schnell das Bethanien zu verticken, bestreitet zumindest Lorenz Postler.