Nils Schuhmacher Hamburger Soundtrack: Erwünschte Hassreaktion
Nach Informationen der Zeit hat Tark Ebéné unter seinem Künstlernamen Tarek K.I.Z. (22. 2. und 23. 2., Uebel & Gefährlich) unlängst „die Platte der Stunde – oder sogar des Jahres“ veröffentlicht. Ob das am Ende so sein wird, kann natürlich jetzt noch keiner wissen. Aber die Formulierung dient zunächst einmal auch nur dazu, den besonderen Wert der Veröffentlichung herauszustellen.
Und tatsächlich: „Golem“ weicht deutlich vom bekannten Werk der Hauptband Ebénés ab. Wo die Band K.I.Z. für ein Spektakel zwischen „Geschmacklosigkeit“, „Gewaltverherrlichung“ und „Politik“ steht, sind hier die Stilmittel des Krawalls und der Ironie runterdosiert und ein von vielen kaum erwarteter Ernst ist an die Oberfläche getreten.
Der Song „Nach wie vor“ ist erst auf den zweiten Blick repräsentativ für diesen Umschwung. Im dazugehörigen Video wird auf der textlichen Ebene die klassische Figur eines mittlerweile erfolglosen Rappers entfaltet, der in der Eigenwahrnehmung aber immer noch „first class“ ist. Parallel dazu wird auf der bildlichen Ebene eine völlig andere Geschichte erzählt, in der der Protagonist im Splatter-Stil Personen tötet, die an die AfD-Politiker Gauland, Höcke und Weidel erinnern.
Interessant ist das Ganze, weil der Mechanismus der Kollaboration zwischen Pop-Provokation, Medien und öffentlicher Empörung genutzt und zugleich überspitzt wird, und zudem ganz nebenbei eine politische Gegenerklärung platziert wird. Entsprechend befriedigt hat sich Ebéné über die Hassreaktionen auf das Video gezeigt.
Und er hat sich nicht billig auf eine gängige Rap-Rhetorik zurückgezogen, in der „Kunstfreiheit“ eine Chiffre für „nicht so gemeint“ ist. Genau genommen hat er gesagt: Es ist erstens Kunst, es ist zweitens so gemeint, es ist drittens nichts gegen das, was diese Leute im richtigen Leben anstellen.
Apropos „Golem“. An diesem Ort hat die Gruppe Die Untüchtigen jahrelang Veranstaltungen organisiert, die sich in genau jenem, von Ebéné entworfenen Spannungsfeld bewegen. Mittlerweile ist man in das Obergeschoss des Pudel-Clubs migriert. Am 27. 2. (19.30 Uhr) beschäftigen sich dort die Grafiker Schroeter und Berger mit einem Zeichen der Stunde – oder sogar des Jahres: dem Logo der „Antifaschistischen Aktion“. Und wenn alles gut läuft, wird man nicht nur etwas zu dessen Historie, sondern auch zu seiner popkulturellen Inventarisierung erfahren. Und damit ist man nicht bei Tarek, aber doch bei den Fragen angekommen, die in und mit seinem Video aufgeworfen werden.
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