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Archiv-Artikel

„Alle wollten arbeiten“

Mauerfall-Zeitzeuginnen diskutieren ihr Frauenbild

Jutta Reinders, 56

■ ist Mitglied im Frauennetzwerk Rostock. Foto: privat

taz: Frau Reinders, welche Auswirkungen hatte die Wiedervereinigung Deutschlands auf das Leben der Frauen in Ostdeutschland?

Jutta Reinders: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war in der DDR kein Thema: Rund 90 Prozent waren berufstätig. Die Frauen wollten alle arbeiten. Das war selbstverständlich.

Was passierte mit ihren Jobs nach der Wende?

Viele Wirtschaftsbereiche wurden geschlossen. Die Angst vor Arbeitslosigkeit war größer als die Scheu davor, große Distanzen zu überbrücken. Deswegen bewarben sich selbst Mütter für Jobs in entfernt gelegenen Städten. Sie wollten ihre Existenzsicherung nicht aufgeben.

In der DDR gab es meist genügend Krippenplätze. Fordern Sie mehr Betreuungsangebote?

In den neuen Ländern sind viele Krippenplätze vorhanden. Im Westen müsste es mehr geben. Negativ sehen wir die Privatisierung. Für die Qualität wäre es besser, wenn Krippen wieder in die Verantwortung der Kommunen übergingen.

Hat sich das Selbstverständnis der Frauen geändert?

Im Bezug auf die Arbeit ist es gleich geblieben. Da haben auch die Forderungen einiger Politiker nichts genützt, ostdeutsche Frauen sollten sich künftig verstärkt um die Kinder kümmern.

Warum wandern viele junge ostdeutsche Frauen in den Westen ab?

Es handelt sich um die am besten ausgebildeten Frauen, die wir jemals hatten. Sie wandern ab, weil die gut bezahlten Jobs und die Führungspositionen hier noch viel stärker für Männer vorbehalten sind. INTERVIEW: Christoph Pagel

Podiumsdiskussion: „Die Situation von Frauen 20 Jahre nach dem Mauerfall“, 19.30 Uhr im brill bel étage (Am Brill)