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Archiv-Artikel

DIE STEILE THESE Und der Musiknobelpreis?

Zwei schier endlos weite Felder menschlichen Schaffens, Trachtens und Strebens gibt es, für die sich die Stockholmer Akademie traditionell nicht die Bohne interessiert: die Mathematik und die Musik.

Für die Geringschätzung der Mathematik gibt es erstens wenigstens eine rührende Legende um gekränkte Eitelkeit und die Mathematikerin Sofja Wassiljewna Kowalewskaja, um die sich der Preisstifter Alfred Nobel, auf Freiersfüßen wandelnd, vergeblich bemüht haben soll; zweitens hat mit dem Spieltheoretiker John Nash 1994 auch ein Mathematiker einen Nobelpreis bekommen, wenn auch nur „über Bande“, nämlich für Wirtschaftswissenschaften. Bob Dylan, immer wieder als möglicher Literaturnobelpreisträger gehandelt (siehe Kultur), würde für seine Lyrik ausgezeichnet, wäre damit aber nebenbei auch als Komponist gewürdigt. Einen eigenen Preis für die Musik aber gibt es nicht – dabei beansprucht gerade diese Kunst für sich, eine universelle Sprache zu sprechen, die überdies nicht erst verlustreich übersetzt werden muss.

Wenn in der Literatur ausgezeichnet wird, wer „das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat“, dann sollte das doch in der ähnlich weichen kulturellen Disziplin der Musik erst recht möglich sein. Karlheinz Stockhausen, György Ligeti oder Olivier Messiaen würden sicher ehrenwerte Preisträger abgeben, wären sie nicht schon mausetot. Ein Arvo Pärt aber hätte den Preis ebenso verdient wie – warum nicht? – Pink Floyd für das Album „Dark Side Of The Moon“, auf dem die Bedingungen des Menschseins vielleicht mit anderen Mitteln, aber in ähnlicher Tiefe ausgelotet werden wie in den Büchen des Jean-Marie Gustave Le Clézio.

Endlich wäre der Einfluss der Beatles auf die Kultur der westlichen Welt angemessen gewürdigt, könnte man Kraftwerk für ihre elektronische Revolution zur Verantwortung ziehen oder einem spirituellen Solitär wie Van Morrison einen Lorbeerkranz winden. Das alles wird natürlich nie passieren, dafür ist der Akademie in Stockholm die Musik dann doch zu wichtig – als stimmungsvolles Randgebratsche im Rahmenprogramm der Preisverleihungen. ARNO FRANK