das ding, das kommt
: Erhellende Vision

Die Dampfdrucklampe wird bei Projektoren nicht mehr benutzt – aber schönere assoziative Bilder bietet sie Foto: Thomas Wydra/Wikimedia Commons

Lasst uns das Mondlicht töten“ forderte 1910 der italienische Futurist Filippo Tommaso Marinetti. Abseits seiner faschistischen Schlagseite kann man den Italiener als Apologeten einer künstlichen Beleuchtung unserer Städte und Umgebungen ansehen. Diese allerdings hat längst die Qualität einer globalen Lichtverschmutzung erreicht.

In den vergangenen hundert Jahren hat sich auch die Gattung „Lichtkunst“ etabliert, die kinetische, installative und skulpturale Aspekte vereint. Diese Kunst hat längst die Innenräume der Museen verlassen, zieht in den öffentlichen, meist urbanen Raum. Und längst gehören Lichtkunstparcours oder entsprechende Biennalen zum Repertoire städtischer Kultur oder populärer Events. In Braunschweig wird Mitte Juni ein mehrmonatiger Lichtparcours starten, das Kunstmuseum Wolfsburg widmet sich demnächst der politischen Dimension künstlichen Lichts. Aber erst einmal wird sich Hildesheim illuminieren, mit dem dritten Lichtkunst-Festival seit dem 1.200-Jahr-Jubliläum der Stadt 2015.

Initiator Klaus Wilhelm und Co-Kuratorin Alice Hinrichs hatten freie Hand bei der Einladung von 19 Künstler*innen oder Teams aus elf Ländern, die ortsspezifische Lichtinterventionen ersinnen, sei es als neue Arbeiten oder Adaptionen vorhandener. Hinzu kommen Beiträge des Kunstvereins, vom Kunstraum 53 und dem Studiengang „Lighting Design“ der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst, sodass sich 23 Stationen auf die Innenstadt verteilen werden, vom (gesperrten) Autotunnel am Hauptbahnhof bis hinein in den Franz-Ehrlicher-Park.

Die Interventionen werden die Welterbestätten Hildesheims, seine öffentlichen, auch unwirtlichen Räume, Innenwelten wie das Atrium der Sparkasse, Kirchen oder Bernwardstollen lichtszenisch transformieren sowie markante Nachkriegsbauten an großen Einfallstraßen: die Volksbank und das 12-geschossige Justizzentrum.

Dabei kommen Neon, Schwarzlicht, vor allem aber die großflächige Projektion zum Einsatz. Diese so mehrdeutige Technik, psychoanalytisch etwa als unbewusste Verlagerung innerpsychischer Inhalte auf andere Personen oder Objekte definiert, bedient sich längst hochauflösender, leitungsfähiger Laser-Lichtquellen. Die antiquierte Dampfdrucklampe hätte jedoch so schönes metaphorisches Potenzial im Gepäck, in diesem Falle visionären Druck oder Dampf zu machen: auf dass Hildesheim zur europäischen Kulturhauptstadt 2025 erstrahle.Bettina Maria Brosowsky

Lichtparcour „Evilichtungen“: Do, 23. 1., bis So, 26. 1., 18 bis 23 Uhr, Hildesheim. Infos: www.evilichtungen.de/ausstellung