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Andreas Hartmann Durch die NachtTechno als Weltkulturerbe? Es lebe Country!

Techno, in Berlin muss sich immer alles um Techno drehen, wie die aufgeregte Diskussion über Dr. Mottes Idee, die Loveparade wiederzubeleben, mal wieder gezeigt hat. Dabei gibt es doch auch noch etwas anderes. Wie wäre es denn zum Beispiel mal mit Country?!

Vor Kurzem war ich in dem Film „Wild Rose“, dem märchenhaften Porträt einer jungen Frau, die gegen alle Widerstände eine Karriere als Countrysängerin machen will. Möglichst in Nash­ville, klar. Am Ende schafft sie es immerhin in ihrer Heimatstadt Glasgow.

Bei den Konzertszenen des Films dachte ich mir: Wo gibt es eigentlich in Berlin eine ähnlich lebendige Countryszene, wie sie hier der schottischen Hafenstadt zumindest angedichtet wird? Der Bassy Cowboy Club in Prenzlauer Berg ist inzwischen dicht, das White Trash auch, beide waren zumindest country­affine Läden in zentraler Lage.

Die Sängerin Wild Rose aus dem gleichnamigen Film müsste für einen Auftritt in Berlin also wahrscheinlich schon nach Reinickendorf fahren, in den American Western Saloon im Fontane-Haus, den einzigen Laden in Berlin, der sich voll und ganz dem Country verschrieben hat. Von Linedance bis Truck Stop vom Plattenteller oder Livebands mit Steel­guitar gibt es hier alles, was so dazugehört.

Auch für mich beginnt Country eigentlich bei Waylon Jennings und endet bei Loretta Lynn schon wieder, ich bin da ein konservativer Hörer. Dabei kommt Country derzeit eigentlich ganz frisch daher. Jedenfalls weniger verstaubt als Dr. Mottes Love­parade. Der Rapper Lil Nas X zum Beispiel hat sich kurzerhand einen Cowboyhut aufgezogen, mixt HipHop mit Country und ist damit unfassbar erfolgreich. Oder Home Free: A-capella-Country mit Beat­boxer, in den USA gehen sie damit durch die Decke, und ihr Konzert in Berlin im März ist jetzt schon ausverkauft.

Ganz dem Country verschrieben hat sich der American Western Saloon in Reinickendorf

Auch nach Johnny Cash fällt dem Country also immer noch etwas Neues ein. Ob es unbedingt um das Neue am Country beim Country Music Meeting geht, das Anfang Februar ebenfalls im Fontane-Haus über die Bühne geht, sei freilich mal dahingestellt. Drei Tage lang wird dort aber alles von Hillbilly über Bluegrass bis Countryrock geboten. Dazu kommt eine Messe, auf der man seinen Jack Da­niel’s trinken und einen neuen Stetson ausprobieren kann. Berlin wird so zumindest an diesen drei Tagen zu Europas Countryhauptstadt, wird einem versprochen.

Außerhalb der Szene wird das wahrscheinlich mal wieder viel zu wenig wahrgenommen, und die Berliner rennen weiterhin lieber in ihre Technoclubs oder diskutieren darüber, ob elektronische Tanzmusik wirklich ein Kandidat für das Weltkulturerbe sein könnte, wie Dr. Motte vorschlägt. Also ein Fall für das Museum, wohin sie doch eigentlich so wenig gehört wie die Country­musik.

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