berlinmusik: Cooler Weirdo
Noach Engelhard hat kürzlich ein hübsch inszeniertes Interview auf YouTube veröffentlicht. Da sitzt der 24-jährige Musiker aus Tel Aviv, der sich als Solokünstler One Room Hotel nennt, in einem Studio, sieht aus wie der junge Nick Cave, ist auch genauso gut gekleidet (heller Anzug, schwarzes Hemd) und gibt sich so arrogant wie der junge Bob Dylan.
„What can you tell us about your life in Berlin?“, fragt ihn ein verunsicherter Interviewer – „Nothing“, entgegnet er. Nachfrage: „Is it the city that influences your music?“ – „Not really. I write songs from my room, and all rooms are quite alike, no?“ Ob der Titel seiner neuen EP, „Just another Jewish guy“, ein politisches Statement sei? „No, not really.“
Das ist witzig, stimmt aber so natürlich nicht. Denn Engelhard verortet sich dezidiert in einer jüdischen Songwriter-Tradition – Serge Gainsbourg, Leonard Cohen, Lou Reed –, deren Outsider-Balladen er verehrt. Balladen schreibt auch Engelhard, aber irgendwie anders. „Wifi Girl“ etwa klingt wie der Lovesong eines Weirdos, in dem Lied scheitert eine kurz aufflackernde Online-Liaison an einer wackligen Internet-Verbindung („I want to send flowers Emoji/ I want to send you some nudies (…) But I can’t 'cause I have no internet connection“).
Und dann flackert auch immer wieder ein so abgründiger wie feiner jüdischer Humor auf. „And I want to catch me as if it were 1944/ And I was just another Jewish boy/ Oh-oh I have a big big nose/ Oh-oh and a bigger heart“, singt er im Titeltrack – und nicht nur in diesen Tagen ist das durchaus ein politisches Statement.
Die Musik auf dieser EP – seiner zweiten – klingt oft geradezu aufreizend fröhlich. Engelhard pfeift gleich eingangs vor sich hin, 80er-Synthies und simple Drumbeats prägen das Klangbild, dazu singt er mit lässiger, tiefer Stimme Verse wie: „How love turns you into a fool/ You talk about death, talk about faith/ And think it’s cool“.
Das alles hat Charme, wirkt oft schalk- und schelmenhaft – so fühlt man sich mal an (den ebenfalls jüdischen) Songwriter Adam Green erinnert, dann an den nerdig-versponnenen Synth-Sound von Casiotone For The Painfully Alone (an den sich so mancher noch erinnern mag). Fazit: Aus dem Jungen wird noch was! Jens Uthoff
One Room Hotel: „Just another Jewish guy“ (Download: oneroomhotel.bandcamp.com) | live: 26 Januar, Tennis Café
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