berliner szenen: Kurze schlaflose Nacht
Auch wenn ich den Film insgesamt schlecht finde, muss ich am Ende fast heulen, denn der Protagonist stirbt, und das habe ich nicht erwartet. Schlimmer: Er stirbt für eine gute Sache, und sein Geliebter muss ihm dabei zusehen.
Während in der Fiktion zwei Menschen sich wortwörtlich zu Tode lieben, wird in der Realität eine große Party ohne mich in Berlin gefeiert.
Ich habe das nie richtig verstanden, warum runde Zahlen wertvoller für die meisten Leute sind als alle andere Zahlen, aber so ist das eben. Bei runden Geburtstagen feiern Leute große Partys, und alle werden eingeladen. Sogar ich war eingeladen, doch ich habe entschieden, mich rauszuhalten und mich an dem Tag extra zu beschäftigen, um nicht viel darüber nachzudenken.
Ich mache Überstunden, schwitze beim Sport, fahre Fahrrad schneller als sonst, höre schöne Musik, gönne mir schöne Bücher. Am Abend esse ich mit einer Freundin am Kanal und bekomme am Tisch eine Massage von ihr. Später gehen wir trinken und tanzen. Als ich zurück zu Hause bin, fühle ich mich immer noch zu wach, um ins Bett zu gehen. Am nächsten Tag muss ich aber früh arbeiten.
Dann gucke ich mir den Film an, lese ein bisschen und hänge Gedanken nach, bis das Tageslicht durchs Fenster einbricht. Es bleiben mir vier Stunden, bis der Wecker klingelt, als zwei Nachbarn im Hinterhof mit einer heftigen Diskussion anfangen, die schnell eskaliert. Ich verstehe nicht, was sie brüllen, aber es scheint ernst zu sein. Ich frage mich, ob ich die Polizei rufen soll. Aber bevor ich irgendeine Entscheidung treffen kann, schlafe ich endlich ein.
Luciana Ferrando
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen