Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Pathos in Watte

Foto: privat

Es fällt schon auf, dass angesichts Tristan Bruschs Melange aus Indie und Schlager immer alle so tun, als wäre das etwas ganz und gar Eigenartiges. Natürlich ist das großer Quatsch: Beide sind sich nicht nur vor langer Zeit schon nahe gekommen, sondern sie können auch überhaupt nicht mehr ohne einander. Spannend ist es trotzdem, was Tristan Brusch da macht. Vermutlich liegt es daran, dass er vom Schlager den Schwermut nimmt und vom Indie den Witz. Während es ganze Heerscharen deutscher Gitarrenknechte aus irgendwelchen Gründen immer genau umgekehrt versuchen.

Statt also zum tausendsten Mal wieder irgendwie ironisches Irgendwas, spielt Tristan Brusch todernste Chansons aus banalen Worten. Das klingt ein bisschen wie Rio Reiser ohne Hoffnung aufs Happy End. Oder wie Faber, ohne zu nerven. Auch an Voodoo Jürgens’„Heite grob ma Tote aus“ musste ich sonderbarerweise denken. Und an Jan Böttcher und seinen Herrn Nilsson, was wiederum gar nicht komisch ist, sondern unmittelbar klar. Lyrisch ist es jedenfalls außerordentlich schön – wütend, traurig und einen halben Meter neben der Spur: „Ich bin ein Fisch in kochendem Wasser/Ich bin ein Schneemann in the sun/Und irgendwann macht dir nicht mal das mehr Angst/Macht dir nichts mehr Angst“.

Pathos und Schmackes sind durchaus da, nur eben eingebettet in ein Polster selbstbewusst kultivierter Verschrobenheit. Vor allem hat es mit Ironie nichts zu tun, sondern mit handfesten Widersprüchen, die eben auch einmal quer durchs Selbst verlaufen. Wie hartgesotten muss man sein, um sich so was in den Refrain zu dichten? „Nimm mich so wie ich bin/und bring mich zur Psychiaterin/Nimm mich so wie ich bin/und bring mich zum Gesichts­chirurgen“ Eben.

Glücklich macht einen das jedenfalls nicht. Aber es kann schon helfen, die allgegenwärtige Tristesse mal wieder als etwas zu erleben, über das sich immerhin noch dichten lässt. Darin schlummert gleich noch so ein Widerspruch: einer aus Akzeptanz und Aneignung nämlich. Keine Ahnung, ob das Quatsch ist. Bewiesen wäre aber mindestens, dass sich über Tristan Bruschs Texte ausgiebig grübeln lässt. Er hat das wohl auch selbst gemacht. Und das Ergebnis ist tatsächlich rundum bezaubernd, obwohl es vom Schlager so viel hat und von schrecklicher Indiemusik.

Mi, 8. 1., 20 Uhr, Lagerhaus