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berliner szenenDieFarbeBlau

Sorry, dass ich dich so anstarre. Es ist nur, dass das Blau deines Schals genau zum Blau des Himmels passt.“ So hätte ich der jungen Frau in der U1 antworten müssen, wenn sie mich gefragt hätte, warum ich sie so komisch angucke. Doch solche Fragen stellt man in der Regel nicht, man nutzt die Körpersprache und zeigt sich irritiert. So wie diese Frau jetzt.

Dabei wäre meine Antwort die Wahrheit gewesen. Zuerst sehe ich den Himmel durch das Fenster, das mit Abbildungen des Brandenburger Tors beklebt ist, und finde seine Farbe kurz vor der Dunkelheit wunderschön. Vor Kurzem war ich in Italien und dachte, dass wir in Berlin ein intensives Blau, ein Blau wie das des sizilianisches Himmel nie sehen. Der Himmel über Berlin heute scheint mir das Gegenteil beweisen zu wollen. Dann entdecke ich die Frau mit dem blauen Schal, wie sie an der Tür lehnt. Ich frage mich, wie viele Variationen der Farbe Blau gibt es, und sage mir, dass bestimmt Maler*innen, Grafiker*innen und vielleicht auch Fotograf*innen die Bezeichnungen aller verschiedenen Blautöne kennen. Wie würde ich die Farbe beschreiben, wenn ich sie beschreiben wollen würde, und was sollte ich angeben, wenn ich die Hoffnung hätte, dabei mithilfe von Google weiterzukommen? Wenn ich ein Handyfoto machen würde, wäre dann zu erkennen, dass der Schal sich im Hintergrund auflöst, fast, als wäre er unsichtbar und der Kopf schwebte in der Luft? Wahrscheinlich nicht. Und wahrscheinlich würde die Frau mir zu Recht noch bösere Blicke zuwerfen oder sogar etwas zu mir sagen. Sieht das eigentlich außer mir noch irgendjemand?

In diese Gedanken bin ich vertieft, als die Vibration meines Telefons mich in die Realität zurückholt. Eine Freundin schickt ein Bild vom Himmel und darunter drei blaue Herzen.

Luciana Ferrando

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