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Archiv-Artikel

„Ich will nur nicht, dass das ewig weitergeht“

RETRO-TV Realität ist dreidimensional, Fernsehen nicht, sagt die Schauspielerin Caroline Peters. In der zweiten Staffel von „Mord mit Aussicht“ spielt sie wieder die Kommissarin Sophie Haas

Caroline Peters

■ Die Person: 1971 in Mainz geboren. 1991–1995 Studium an der Hochschule für Musik und Theater in Saarbrücken. Peters spielte an der Schaubühne Berlin, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und am Schauspiel Köln. Sie ist festes Ensemblemitglied am Burgtheater Wien. Für den Fernsehfilm „Arnies Welt“ bekam sie 2005 den Grimme-Preis.

■ Die Serie: Seit 2008 spielt Peters in der ARD-Krimiserie „Mord mit Aussicht“ die Kommissarin Sophie Haas. Die 1. Staffel begann mit sechs Folgen, 2010 gab’s sieben neue dazu. Am Dienstag, 20.15 Uhr, startet die 2. Staffel.

INTERVIEW ENRICO IPPOLITO

taz: Frau Peters, die Zeitspanne zwischen der ersten und zweiten Staffel von „Mord mit Aussicht“ ist …

Caroline Peters: … in Fernsehjahren gemessen, gigantisch.

Finden Sie das gut?

Ich habe mir jetzt mal zurechtgelegt, dass ich es gut finde. Es ist ein Saisonprodukt. Nicht immer zu haben. So wie das mit Früchten oder Spargel auch mal war.

Was ist in der neuen Staffel anders?

Ich hoffe, nichts. Es wurde an den Figuren weitergearbeitet. Was ein bisschen anders ist, ist, dass es durch die 13 Folgen Plots gibt, die drunter liegen und immer weitergehen. Alle persönlichen Geschichten haben Anschluss und die Fälle beginnen immer bei null. Oder ist Ihnen was aufgefallen?

Es ist farbiger.

Meine Kostüme sind auf jeden Fall bunter geworden. Der Kostümbildner und ich konnten uns endlich durchsetzen mit unserem Farbkonzept. Ich finde es so schrecklich, dass im gesamten deutschen Fernsehen alle in Farben auftreten müssen, die Loriot als frisches Steingrau oder Mittelhelldunkelmittellila bezeichnet hätte.

Ihre Figur, Kommissarin Sophie Haas, ist eine starke, selbstständige Frau, die nicht das Ziel hat, ihren Traumprinzen zu treffen. Ungewöhnlich im Fernsehen.

Da muss man sehr hart gegenarbeiten, weil immer noch die Vorstellung für Frauen vorherrscht, dass es nur darum geht, den sogenannten Mr. Right zu finden.

Nach dem Motto: Karriere schön und gut, aber wenn der Richtige kommt, dann ist das wichtiger.

Die Karriere ist ein zufälliges Nebenprodukt und außerdem nur Selbstverwirklichung. Dass das einfach Arbeit ist, mit der man Geld verdient – für Frauen immer noch eine nicht so anerkannte Rolle.

Wie viel Zeit haben Sie für eine Folge?

Neun Tage. Ich muss mir immer sagen lassen von Menschen, die viel fürs Fernsehen arbeiten, dass es wahnsinniger Luxus wäre. Ich finde es aber total am Limit. Es ist irre, dass wir das überhaupt schaffen.

Denken Sie an die Einschaltquote?

Ich weiß nur, dass es ein großes Glück ist, eine hohe Einschaltquote zu haben. Dadurch haben wir bessere Arbeitsbedingungen bekommen. Du kriegst nicht mehr Geld oder Zeit, aber mehr Freiheit und mehr Vertrauen von denen, die es bestimmen. Und woraus diese Quote besteht, weiß kein Mensch. Mich interessiert die Qualität mehr als die Quantität. Und wir haben irgendwie beides – anspruchsvolle, besondere Zuschauer und das in hoher Anzahl.

Sie hatten immer Angst, als Fernsehgesicht verbrannt zu werden.

Mal habe ich Angst davor und mal denke ich, ist mir doch pupe. Mir macht das Drehen erst mal Spaß. Und gleichzeitig denke ich, Mann, schade, wahrscheinlich wirst du in Deutschland nie wieder was anderes spielen dürfen. Jetzt konnte ich aber gerade was anderes drehen und schon ändert sich mein Denken.

Würden Sie für eine dritte Staffel zur Verfügung stehen?

Ich will nur nicht, dass es ewig weitergeht.

Bei „Mord mit Aussicht“ arbeiten Sie viel am Text.

Wir versuchen, viel am Spiel zu arbeiten und dass man beim Drehen richtig probt wie am Theater. Wir spielen das dann stur durch, damit es eben einen bestimmten Rhythmus hat. Den kann man im Schnitt auch nicht so ohne weiteres mehr ändern.

Macht das die Serie besonders?

Das vielleicht. Und die Zuschauer dieser Serie. Die müssen sehr speziell sein, damit wir das auch sein können. Und es ist auf eine feiner Weise altmodisch. Genau deswegen sieht sie auch anders aus als andere Fernsehserien. Es ist sehr künstlich und überhöht, aber nicht abgedreht. Es ist eine Mischung von künstlichem und realistischem Spiel.

Ist das der Reiz für Sie?

Ich mag es halt gern, wenn alles gestaltet ist und nicht versucht,die Realität nachzuahmen.Was habe ich denn davon?

Was stört Sie an dem Realitätsanspruch?

Es hinterlässt einen unbefriedigt, weil man es überhaupt nicht erreichen kann. Die Realität ist vollkommen anders – nämlich dreidimensional. Film ist aber zweidimensional. Das ist doch ein Bild, und das möchte ich gestalten. Ich möchte nicht, dass Filme aussehen wie Fotos, die ich mit dem Handy mache. Wo der Reiz in dieser Authentizität liegen soll, kapiere ich nicht.

Kommt das aus Ihrer Theatererfahrung?

Das kommt sicher daher, bestimmt aus meiner Theatererfahrung mit René Pollesch. Das ist pure Theorie. Da ist überhaupt kein Anspruch an irgendeine Realität und Psychologie. Dafür sieht man ganz starke Charaktere auf der Bühne – und starke Meinungen und Bilder.

Es herrscht gerade eine Wende im Theater. Alte Stücke sollen ins Jetzt transportiert werden.

Jetzt ist ja eigentlich der Trend, ein altes Stück auch alt zu machen. Ich habe aber heute Nacht Kritiken über Andrea Breths Stück in Salzburg gelesen. Da steht dann: Das Thema des Stücks „Prinz von Homburg“ ist Krieg, aber was das mit den Kriegen von heute zu tun hat, löst die Inszenierung nicht ein. Ich denke mir dann: Wie auch? Nichts hat es damit zu tun, gar nichts. Da geht es um Preußen. Was soll das mit Syrien zu tun haben?

Es soll eine gesellschaftliche Relevanz hergeleitet werden. Das ist ja erst mal nichts Schlechtes.

Das macht aber das Theater und auch das Fernsehen kaputt. Du bist immer aufgefordert zu demonstrieren, dass es gerechtfertigt war, dir diese ganzen Subventionen in den Arsch zu blasen. Dafür musst du halt eine gesellschaftliche Relevanz hervorzaubern. Ja, aber die gesellschaftliche Relevanz ist doch, dass überhaupt Kultur gemacht wird.

Geht es Ihnen ähnlich mit „Mord mit Aussicht“?

Es läuft in der ARD. Da müssen bestimmte Auflagen erfüllt werden. Aber es ist erst mal Unterhaltung. Gott sei Dank.

Für die ARD ist „Mord mit Aussicht“ ein wahnsinnig mutiges Prestigeprojekt.

Die sehen das so, wir sicher auch. Aber dann schaut man selbst amerikanische oder britische Formate und sieht, dass die Grenze nach oben noch ganz weit offen ist.

„Mord mit Aussicht“ kopiert keine amerikanischen Serien mit schnellen Schnitten.

Und arbeitet meist ohne bekannte Fernsehschauspieler. Das sind ja alles Kollegen vom Theater.

Ist die Serie also Retro?

Ja, Retro-Heimatfilm.

Obwohl Sie so lange schon Theater spielen, steht überall „… bekannt geworden durch ‚Mord mit Aussicht‘“. Frustriert das?

Das Theater und das Fernsehen sind zwei getrennte Welten.

Sie mussten sich nie zwischen diesen beiden Welten entscheiden.

Bis jetzt nicht.

Warum sieht man Sie kaum im Kino?

Da kommen einfach ganz wenige Angebote auf mich zu.

Woran liegt das?

Ich weiß nicht. Vielleicht doch schon zu viel Fernsehen gemacht? Oder Kino und Fernsehen sind genauso getrennte Welten wie Fernsehen und Theater? Bisher fiel ich auch nie ins Filmstudenten-Beuteschema.

Und für die großen deutschen Regisseure?

Theater und Kino kann man gut zusammen machen. Das ist beides hochwertig. Fernsehen ist aber in den Augen vieler immer noch was anderes. Dabei hat kaum ein europäisches Land vergleichbar hochwertige Arbeitsmöglichkeiten. Als ich am Theater angefangen habe, an der Schaubühne 1995, da war das extrem verpönt. Da hätte niemand aus dem Ensemble gewagt eine Serie nebenbei zu drehen – und wenn man es gemacht hätte, wäre man sofort rausgeflogen.

Spüren Sie diesen großen Unterschied zwischen Hochkultur und Unterhaltung in Deutschland noch? Oder hat sich beides angenährt?

Den gibt es irgendwie immer noch. Was ich aber nicht so ganz verstehe. Die Intellektuellen, die meine Generation geprägt haben, kamen aus New York und Paris – wie alles in den 80er- und 90er-Jahren. Das sind doch so Leute wie Susan Sontag, die dann eben „Star Wars“ interpretieren. Oder „Angel Heart“ war so ein Film, mit dem sich Ethnologen beschäftigt haben. Oder über „Zelig“ von Woody Allen, da schreibt dann ein Professor an der Columbia University ein Buch drüber. Das muss doch längst bei uns angekommen sein, dass diese Art von Populärkultur genauso viel aussagt wie eine sogenannte elitäre Kultur. Obwohl elitär darf es in Deutschland ja auch immer nicht sein. Was darf man dann eigentlich?