Ästhetischer Bruch

Die morbide Schönheit der Zerstörung: Ausstellung „Linde Ludeña“ bei KX in der City Nord

Am Stadtrand von Madrid liegen vier Betonbrocken. Vier Herren in Maßanzügen entsteigen einem silbernen Luxusauto und begeben sich zu den Steinen, an denen vier Presslufthämmer auf sie warten. Und der Student, der Arbeitsimmigrant, der Schauspieler und das Model beginnen mit ihrer Edelarbeit – für vier Minuten. Und nichts als diese Zeitspanne gibt den Titel für das Video von Manuel Ludeña. Es führt eine Situation vor, deren Interpretation offen bleibt: theatralische Arbeit im Luxus, ein Spielchen von Investoren oder eine Kritik schräger Modefotografie.

Seit Jahren arbeitet der Künstler aus Madrid zusammen mit der Hamburgerin Almut Linde in einer Gruppe, deren drittes Mitglied, Santiago Sierra, den beiden abhanden gekommen ist, seit der es geschafft hat, weltberühmt zu werden. Alle Arbeiten der nun reduzierten Gruppe „Linde Ludeña“ sind auch in der neuen Ausstellung von KX in der City Nord künstlerische Aneignungen aus dem sozialen Feld.

Wo immer rigidere und dennoch zwecklose Versuche unternommen werden, die Ordnung im öffentlichen Raum aufrechtzuerhalten, drängt sich zwangsläufig die morbide Schönheit der Zerstörung in den Blick. Es scheint kein Zufall, dass auch im Kunstverein bei dem Gebrauchtwagen von Sarah Lucas gerade zerschlagene Scheiben zu sehen sind – wenn auch nicht so ästhetisch präsentiert wie die 17 „Steinaufschläge auf Glas“ von Almut Linde in KX. Die weiße Ausstellungswand vermag aus zerstörerischem Zufall Netzmodelle oder Kraftlinien zu machen, seltene Orchideen oder Eisblumen, Spinnenbauten oder Stadtpläne.

Sehr gut in den zur Verfügung stehenden Raum eingepasst ist die „Line aus Leitplanken“. Dieses vierteilige Dokument von ungezügelter Krafteinwirkung wird jenseits der auf die plastische Wirkung der Deformation gerichteten Ästhetik geradezu zynisch, wird denn auch die leise Tonspur aus dem Off wahrgenommen: Es ist ein Mitschnitt von Gesprächen beim Autokauf. Hajo Schiff

„Linde Ludeña“, KX, Mexikoring 9 a, Do + Fr 16 - 20, Sa + So 14 - 18 Uhr, bis 11. September