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Archiv-Artikel

kabinenpredigt Hertha, entscheide dich!

Ach, die Statistiker. Mal ganz ehrlich, dieses ewige Rauskramen längst ausgefochtener Zweikämpfe und vor Jahren verstolperter Torchancen – es nervt. Aber auch zu diesem Bundesligastart waren sie wieder da mit ihren Analysen und Bilanzen. Seit 1974 hat Hannover 96 zu Hause nicht mehr gegen Hertha gewonnen – schön –, und Marcelinho hat am Wochenende wohl zum ersten Mal einen Elfmeter verwandelt, bei dem ein Torwart, der schon beim FC Barcelona spielte, die richtige Ecke ahnte. Der Neu-Hannoveraner und Ex-Ex-Nationalspieler Michael Tarnat ist der erste Fußballer überhaupt, der die Zeit zurückdrehen kann, und Falko Götz hat das 163. graue Haar.

Sollen die Experten sich doch in ihren unbedeutenden Details verlieren, was zählt, ist das große Ganze. Wie hat sich unsere Hertha entwickelt? Wie ist die fußballerische Großwetterlage in diesem Spätsommer an der Spree? Die traurige Antwort lautet: unentschieden. Auch wenn die Mannschaft sich gemausert hat zu einem ewigen Geheimfavoriten, auch wenn sie in den letzten Jahren immer dran war an den Großen – das stets wiederkehrende Geschwür der „alten Dame“ ist das Unentschieden. Ist die Hertha ein Top-Team oder nicht? Unentschieden. Holen wir jetzt mal einen richtigen Stürmer oder nicht? Unentschieden.

Logisch, dass das Spiel in Hannover keinen Sieger hatte. Der neunmalkluge Statistiker würde sagen: Im vergangenen Jahr starteten die Berliner mit fünf Remis hintereinander. Und er würde hinzufügen: Als es dann in den letzten beiden Saisonspielen um die Champions-League-Qualifikation ging, da teilte sich die Hertha auch die Punkte mit den Gegnern.

„Halt die Klappe, blöder Theoretiker!“, möchte man rufen. Weil er, trotz aller Nebensächlichkeit seiner rückwärts gewandten Rechnereien, verdammt Recht hat. Und das tut weh. Wir Berliner wollen aber keine Unentschieden-Könige sein. Wir wollen leben. Wollen den Taumel des Sieges auskosten und den Schmerz der Niederlage spüren. Wir wollen Leidenschaft.

Für das Heimspiel am nächsten Samstag gegen Eintracht Frankfurt gibt es deshalb nur einen Wunsch: Macht, was ihr wollt, verliert oder gewinnt, nur bitte, bitte nicht Unentschieden. CHRISTO FÖRSTER