: Osnabrück Blues
Privatschnüffler Egbert Wühler und der Fall der blonden Haselnuss-Lady (Teil 1)
Damit das von vornherein klar ist, Leute: Ich erzähl euch die folgende Story nicht zum Vergnügen, sondern damit ihr was lernt. Mein Beispiel soll euch ein für allemal vor Augen führen, wie tief ein Mann sinken kann, wenn er einer schönen Frau verfällt, von skrupellosen Killern gejagt wird, Trost nur noch im Alkohol findet und, was das Schlimmste ist, in Osnabrück lebt. Wenn ihr’n bisschen helle seid, könnt ihr aus alldem selbst eure Schlüsse ziehen, wenn nicht, hockt euch lieber vor die Glotze und zieht euch die „Lindenstraße“ rein. So viel zur Einleitung, und jetzt konzentriert euch’n bisschen.
Ich war nicht grade gut drauf an dem bewussten Julinachmittag, als die ganze Schose losging. Es war vermutlich der heißeste Sommer seit Kriegsende, und mein kleines Büro liegt im Dachgeschoss eines reichlich betagten Mietshauses. Die Klimaanlage war mal wieder im Eimer, und ich hing seit Stunden bei schätzungsweise 36 Grad hinter meinem Schreibtisch rum. Ich trug meinen taubenschissgrauen, wollenen Anzug, denn der blaue war in der Reinigung. Klar, dass ich schwitzte wie’n Hahn am Grill, aber ich finde, ’n Privatdetektiv im Unterhemd wirkt wenig vertrauenerweckend. Da ich mit der Miete bedenklich im Rückstand war, brauchte ich dringend ’n Auftrag; also hielt ich durch. Hätte ich allerdings geahnt, was auf mich zukommen sollte, wäre ich schleunigst verduftet. Dabei hatte mich Willi „die Ratte“ Olschewski, einer meiner gelegentlichen inoffiziellen Mitarbeiter, noch vor kurzem gewarnt. „Hören Sie, Wühler“, hatte er mir zugezischt, „ich geb Ihnen ’n guten Rat: Baden Sie niemals Ihre Füße in Vanillesoße, solange das Radio läuft.“ Ich hab bis heute keine Ahnung, was er damit sagen wollte.
Es dürfte so gegen fünf Uhr gewesen sein. Gerade hatte ich mit ’m Gummiband nach ’ner fetten Kakerlake geschossen, die an meiner Tapete auf- und abstolzierte. Natürlich hatte ich das Viech nicht getroffen und mir daraufhin erst mal ’n sechsfachen Bourbon genehmigt. Als ich von meinem Schreibtisch aufsah, lehnte sie in der halb geöffneten Tür. Sie war blond und blauäugig, ihr makelloser Teint erinnerte an eine Haselnusskremtorte, und ihre leicht aufgeworfenen Lippen glühten neonröhrenrot, kurz, ihr Anblick hätte selbst bei Casanova Herzrhythmusstörungen ausgelöst. Glaubt mir, Jungs, sie war einfach ’ne Wucht. Sie trug irgend so’n schwarzen, eng anliegenden Fummel, und sie hatte ’n Körper von der Sorte, die man sonst nur nach 23 Uhr im Fernsehen zu sehen kriegt – mit ’ner eingeblendeten Telefonnummer.
Ich muss sie wohl ziemlich lange stumm-verblüfft angestarrt haben, jedenfalls öffnete sie irgendwann ihren schönen Mund und hauchte: „Darf ich eintreten?“ Ich fegte ein altes Leberwurstbrot sowie einen Versandhauskatalog für Reizwäsche in meine Schreibtischschublade, sprang auf und stolperte ihr entgegen. Sie war’n Kopf größer als ich, und mein Hormonhaushalt drohte endgültig aus den Fugen zu geraten. Offenbar war sie daran gewöhnt, dass ihre Erscheinung bei Männern heftige Irritationen auslöste und lächelte mich nachsichtig an. Nachdem ich mich durch einen kurzen Händedruck versicherte hatte, dass sie kein Tagtraum sei, bat ich sie, Platz zu nehmen.
Als die blonde Glücksverheißung in einem meiner schäbigen Sessel saß, fragte sie mit einer leicht kehligen Stimme, deren Wirkung auf mich etwa derjenigen einer sanften Haarwurzelmassage glich: „Sie sind Egbert Wühler persönlich?“ – „So steht’s in meinem Personalausweis“, hüstelte ich, „was kann ich für Sie tun, Herzchen?“ Sie streifte langsam ein Paar hauchdünne Wildlederhandschuhe von ihren schmalen Händen, ein Vorgang, dessen Anblick mich für vielerlei Ungemach der vergangenen Wochen entschädigte, dann sagte sie: „Mein Name ist von Klippstein, Nadine von Klippstein, und … – ich kann mich doch auf Ihre Diskretion verlassen, Herr Wühler?“ – „Selbstverständlich, Frau von Klippstein“, beeilte ich mich zu versichern, „bitte sprechen Sie.“ Sie erzählte, und ich hörte zu. Ich hörte eine gute Stunde lang zu, dann zog sie ihre Handschuhe wieder an, und ich war engagiert.
Nachdem sie gegangen war, setzte ich mich in meinen Wagen und fuhr ziellos durch die Stadt, um das Adrenalin in meinem Körper abzubauen und meine Gedanken zu sortieren. Was sie mir erzählt hatte, war ziemlich wirres Zeug gewesen. Irgendwie war’s dabei um ihre kleine Schwester gegangen, die mit’m kriminellen Typen namens Herbert Kaminsky durchgebrannt und in Winsen an der Luhe untergetaucht war. Wenn ich sie richtig verstanden hatte, sollte ich Kaminsky irgendwie unschädlich machen und das Schwesterchen zurückholen. Im Grunde war’s mir sowieso völlig egal, womit sie mich beauftragt hatte. Für Nadine von Klippstein hätte ich auch den Kölner Dom in die Luft gesprengt, den Papst gekidnappt oder mir ohne Unterbrechung ’ne komplette TV-Sendung mit Kai Pflaume angekuckt. Sie hätte nur ein Wort zu sagen brauchen; so stand’s um mich, Leute. CHRISTIAN MAINTZ
Fortsetzung und Ende morgen