Minister bleiben, egal unter wem!
: KOMMENTAR VON ULRIKE WINKELMANN

Das ist sehr höflich von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, dass er eine große Koalition unter „jedenfalls kein Sündenfall“ einordnet. Schließlich wird Clement schon seit langem von der CDU als mögliches Neumitglied umworben. Auch der nordrhein-westfälische Exministerpräsident Peer Steinbrück ist gut beraten, ein Regierungsbündnis mit der Union in Aussicht zu stellen. Denn die „Erneuerung“ der SPD, die Steinbrück vorschwebt, soll erstens auf seinem Wirtschaftskurs und zweitens mit einem wie ihm an der Spitze stattfinden.

Die gesamte SPD-Regierungsmannschaft will, kurz gesagt, weitermachen. Jeder von ihr überlegt, ob und wie er sein Ressort unter einer Kanzlerin Merkel behalten kann. Keiner hat Lust, in einer linksdrehenden Oppositions-SPD als einer der Trottel vorgeführt zu werden, die sieben Jahre Regierungsverantwortung versiebt haben. Dann schon lieber mit der Union regieren – wie bisher. Alle Großprojekte von Steuerreform bis Hartz wurden doch sowieso mit CDU und CSU ausgehandelt.

Das ist nur logisch und produziert trotzdem ein Dilemma. Indem Clement, Eichel & Co. die große Koalition vorbereiten, verteidigen sie ihre Politik und schaden ihr gleichzeitig. Denn sie untergraben die Position des Hauptverantwortlichen für diese Politik: Gerhard Schröder. Kein Satz kann über die große Koalition gesagt werden, ohne dass klar ist, dass der dieser Tage so prächtig gelaunte Kanzler dabei natürlich nicht mitspielt. Es wird keinen Vizekanzler Schröder geben. Schröder darf zum Abschied noch einmal voll aufdrehen. Nachher wird es heißen, er habe die SPD zwar ruiniert, aber am Schluss immerhin noch 3 Prozentpunkte rausgeholt.

Es wäre nun vermutlich jedem schwer gefallen, das Wort „große Koalition“ bis zum 18. September schlicht nicht in den Mund zu nehmen. Die Wählerinnen und Wähler haben außerdem ein Recht zu erfahren, was die SPD mit ihren Stimmen anfangen wird: Hartz V bis VIII oder Bürgerversicherung? Doch dass ausgerechnet diejenigen, die Schröders Wirtschafts- und Finanzkurs am stärksten unterstützt haben, ihm nun das Wahlkampfpodest unter den Füßen wegtreten, entbehrt nicht eines gewissen Zynismus.