: Kohls Redenschreiber spielt im Bonner Takt
taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Bonn
Bonn?Namensgeberin für die gleichnamige Republik. In dem idyllischen Städtchen am Rhein hatten einst Bundesregierung und Bundestag ihren Sitz. Am 20. Juni 1991 beschloss das Parlament jedoch, in eine andere Stadt umzuziehen. Bonn bekam dafür finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe. Inzwischen beherbergt die Bundesstadt, wie sie sich nennen darf, viele internationale Organisationen.Wer verteidigt den Wahlkreis?Ulrich Kelber sitzt seit 2000 für die SPD im Bundestag. Dort ist er Berichterstatter seiner Fraktion für Klimaschutz, für europäische und für internationale Umweltpolitik. Allerdings macht der Diplominformatiker auch Kommunalpolitik. Der 37-Jährige ist Mitglied im Aufsichtsrat der Bonner Stadtwerke und überhaupt ein ganz überzeugter Bonner. Hier ging er zur Schule, hier hat er studiert und sich von den Jusos bis zum lokalen Vorsitzenden seiner Partei hochgearbeitet. Nur geboren wurde er nicht in der Stadt am Rhein, sondern in Bamberg. Dieser Umstand scheint ihm ein bischen peinlich zu sein: Den Geburtsort verschweigt er auf seiner Homepage geflissentlich. Dabei ist Kelber sonst sehr um Transparenz bemüht. Als „gläserner Abgeordneter“ stellt er jedes Jahr seine Steuererklärungen ins Internet.Wer will den Wahlkreis?Stephan Eisel. Der ehemalige Bundesvorsitzende des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) hat seinen Wehrdienst bei den Gebirgsjägern in Mittenwald absolviert und leitet heute die Hauptabteilung Politische Bildung bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Von 1983 bis 1987 war er Redenschreiber von Helmut Kohl. Der Altkanzler empfiehlt den 50-Jährigen denn auch den Bonner Wählern: „In der Hauptstadtfrage hat er sich leidenschaftlich für Bonn eingesetzt.“ Promoviert hat Eisel 1985 bei Karl Dietrich Bracher über „Minimalkonsens und freiheitliche Demokratie“. Der passionierte Pianist mit Banderfahrung („Wenn ich ein Klavier sehe, bin ich nur schwer zu halten“) bietet auf seiner Homepage auch Hörproben im mp3-Format an.Die großen Außenseiter?Für die Grünen geht Jens Kendzia ins Rennen. Der 30-jährige Jurist, Attac-Mitglied und friedensbewegt, war gegen den Afghanistan-Krieg. Über die Landesliste ist er nicht abgesichert. Genau so wenig wie Katina Schubert von der Linkspartei. Die 44-jährige Journalistin unterlag bei der Abstimmung um Platz 2 der Landesliste gegen Ulla Lötzer. Im Bonner Wahlkampf trifft Schubert auf einen gewissen Guido Westerwelle, der für die FDP kandidiert.Die taz-Prognose?Bei der Landtagswahl schlug die CDU die SPD in Bonn mit 42,6 zu 33,17 Prozent. Zwar haben die Sozialdemokraten absolut keine Stimmen verloren. Aber sie konnten nicht so stark zulegen wie die CDU. Sollte die Union gewinnen, könnte SPD-Mann Ulrich Kelber eventuell trotzdem in den Bundestag einziehen. Er steht auf Platz 18 der Landesliste seiner Partei. DIRK ECKERT