: Arbeitslosigkeit bleibt Dauerbrenner
Wirtschaftssenator Wolf glaubt nicht an baldige Besserung auf dem Arbeitsmarkt. Grüne fordern Strukturwandel zur „Stadt des Wissens“
von FELIX LEE
Berlins Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten bleiben miserabel. Obwohl das Bruttoinlandsprodukt der Hauptstadt im vergangenen Jahr erstmals seit vier Jahren wieder geringfügig um ein halbes Prozent gestiegen ist, waren im Jahresdurchschnitt 2004 knapp 300.000 Menschen arbeitslos.
„Von Wachstumsraten, die Arbeitsplätze schaffen, sind wir weit entfernt“, gestand Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) bei der Vorstellung des neuen Wirtschafts- und Arbeitsmarktsberichts. Als Grund dafür nannte er vor allem die schwache Binnennachfrage. Zwar habe das kräftige Exportwachstum sowie die positive Entwicklung der Tourismusbranche zum Wachstum beigetragen. Vor allem die Umsatzrückgänge im Einzelhandel, aber auch die Dauerkrise im Baugewerbe drückten die gesamtwirtschaftlichen Zahlen. „Es fehlen Aufträge der öffentlichen Hand und aus der Privatwirtschaft“, gab der Wirtschaftssenator zu.
Wer nicht investiert, kann auch mit keinem Wachstum rechnen, entgegnete der Grüne Fraktionschef Volker Ratzmann auf einer Pressekonferenz kurz darauf. Auf knapp 60 Milliarden Euro belaufen sich die Schulden inzwischen, rechnete er vor. Um aus dieser Schuldenfalle herauszukommen, brauche die Stadt mehr Einnahmen. Deshalb müsse Berlin „mehr Zeit, Geld und Personal“ investieren, „damit der Humus weiter gedüngt wird“.
Auf die Medien-, Kultur- und Gesundheitswirtschaft – sprich Pharmaindustrie und medizinische Forschung – solle die Stadt setzen, sagte der Fraktionschef. Er forderte den rot-roten Senat auf, die Bereiche gezielter zu fördern und sie untereinander besser zu vernetzen. Insbesondere bei der Hochschulmedizin dürfe es keine weiteren Einsparungen mehr geben. „Die Hauptstadt sägt sonst den Ast ab, auf dem sie sitzt“, so Ratzmann. Er vermisse ein klares Bekenntnis zur „Stadt des Wissens und der Kreativität“.
Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz holte mit ihrer Kritik vor allem beim Thema Hartz IV aus. Berlin hinke bei der Umsetzung anderen Großstädten wie zum Beispiel Köln „meilenweit hinterher“ und sei „grottenschlecht“. Dies lastete sie vor allem den verantwortlichen SenatorInnen der Linkspartei an. Der Wirtschaftssenator und Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner würden sich entspannt zurücklehnen und auf die Zuständigkeit des Bundes verweisen, ganz nach dem Motto: Jede negative Nachricht bei Hartz IV sei eine gute für die eigene Partei, so Klotz.
Die grüne Fraktionschefin forderte, dass Berlin unverzüglich die Rahmenvereinbarung unterzeichnen soll, die den Jobcentern mehr dezentrale Kompetenz zubilligt. Ihrer Darstellung zufolge will der Senat erst Ende August darüber entscheiden, obwohl die Behörden dringend mehr qualifiziertes Personal brauchen, um ihre Vermittlungsaufgabe erfüllen zu können. Zudem forderte sie ein Landesprogramm zur Förderung von Menschen, die wegen eines zu hohen Einkommens des Partners das Arbeitslosengeld II nicht erhalten. Dies betreffe vor allem Frauen. Mit der Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle könne der korrekte Ablauf besser gewährleistet werden.
Wirtschaftssenator Wolf hingegen sieht Berlin auf dem richtigen Weg. Immerhin wurden im vergangenen Jahr 16.800 Gewerbe mehr an- als abgemeldet. Er betonte jedoch, dass es vor allem die staatlich geförderten Ich-AGs sind, die deutliche Zuwächse verzeichnen. So wurden 2004 rund 11.000 solcher Kleinunternehmen gefördert. Vor allem die Kreativwirtschaft in den Bereichen Medien und Kunst sei Vorreiter dieser Entwicklung. Wolf macht es daran fest, dass die Zahl der Insolvenzen um zwölf Prozent auf insgesamt „nur noch“ 1.900 gescheiterte Firmenexistenzen zurückgegangen ist.