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Momente von Verheißung

Der Alltag in seinen eher dramatischen Augenblicken: Die Schau „Eine bessere Welt – unbedingt!“ im Willy-Brandt-Haus zeigt Fotografien aus der Sammlung Horbach

Von Brigitte Werneburg

Die Ausstellung im Willy-Brandt-Haus von „Fotografien aus der Sammlung Horbach“ hat ein großes Anliegen. Schließlich fordert sie in ihrem Titel „Eine bessere Welt – unbedingt!“ Das fotografische Bild wird hier also ganz unumwunden für eine Programmatik in Dienst genommen. Gewöhnlich spricht man in einem solchen Fall von Propaganda.

Michael Horbach wird dieser Begriff nicht schrecken. Der Sammler will Werbung machen für das Gute, Schöne und Wahre. „Meine Fotosammlung verstehe ich als (neo)humanistischen Blick auf die Welt“, wird er auf der Einladungskarte zitiert, „sie zeigt die unermessliche Schönheit dieser Welt, die Aura und die Seele ihrer Menschen – aber auch ihre Wunden. Was ist gefährdet, was unwiderruflich verloren, wofür lohnt es sich zu kämpfen? Wofür ist unsere westliche Kultur verantwortlich?“

Gleichzeitig muss der Begriff Propaganda Michael Horbach auch nicht schrecken. Denn wie im Rundgang durch die Ausstellung im Willy-Brandt-Haus schnell deutlich wird: Sämtliche Aufnahmen sind von hoher Qualität. Sie verraten die Ästhetik nicht an ihr politisches Anliegen, das sie umgekehrt nicht ästhetisieren. Niemand verwechselt Armut mit Anmut.

Michael Horbach, ein Arbeitersohn aus Aachen, hat sein Vermögen im Bereich der Finanzdienstleistung gemacht, dazu betrieb er seit 1986 noch eine Galerie für zeitgenössische Kunst in Köln. Als er sich vor knapp 20 Jahren komplett aus dem Geschäftsleben zurückzog, gründete er eine Stiftung, die soziale wie auch künstlerische Projekte fördert. Statt der Galerie gibt es nun in Köln eigene Kunsträume mit einem ehrgeizigen Ausstellungsprogramm, in dem immer wieder auch seine Sammlungsbestände thematisiert werden. Dazu kommt der jährlich verliehene und mit 10.000 Euro dotierte Fotopreis der Stiftung.

Eine gewisse nostalgische Aura, die freilich frei von Sentimentalität und falscher Romantik ist

Als Sammler interessieren Horbach fotografische Posi­tio­nen aus Kuba, Lateinamerika und Afrika. Er sammelt aber auch Arbeiten europäischer Fo­to­graf*innen, sofern sie in Auseinandersetzung mit dem globalen Süden entstanden.

Jan Grarup, von dem das überaus eindrückliche Bild eines Jungen in Mogadischu stammt, der über den Schultern seines schmächtigen Körpers einen riesigen Fisch hängen hat, der wahrscheinlich doppelt so viel wiegt wie er selbst, dieser Jan Grarup also ist beispielsweise ein dänischer Fotojournalist. Den Kopf von der Last gebeugt, die Stirn gerunzelt, schaut der Junge direkt in die Kameralinse, die ihn vor einer im Hintergrund nur noch unscharf sichtbaren zerbombten Häuserzeile auf den Film bannt.

Dieses Bild, das auch die Einladungskarte ziert, steht gewissermaßen repräsentativ für den Stil der Sammlung. Sie nimmt den gewöhnlichen Alltag in den Fokus, freilich in seinen eher dramatischen Momenten oder seinen uns fremden Aspekten genauso wie in den Augen­blicken größter Schönheit.

So einen fing Flor Garduño in ihrem 1987 entstandenen Porträt einer Frau aus Juchitán, Mexiko, ein, die aneinandergebundene Leguane wie eine Halskette vor ihre Brust hält. Die mexikanische Fotokünstlerin ist eine bekannte Größe im Kunstgeschehen wie auch der kubanische Fotograf Alberto Korda oder der aktuelle Friedenspreisträger Sebastião Salgado. Doch es macht gerade den Reiz der Sammlung Horbach aus, dass die Besucher*innen dort mit vielen ihnen noch unbekannten Fotograf*innen wie etwa dem jungen kubanischen Fotografen Alfredo Sarabia bekannt gemacht werden.

Insgesamt werden 24 Foto­künstler*innen mit 150 Arbeiten gezeigt, wobei es sich bei sämtlichen um Schwarzweißfotografien handelt. Damit eignet der Ausstellung eine gewisse nostalgische Aura, die freilich frei von Sentimentalität und falscher Romantik ist.

Es ist ein prüfender Blick, der die Bilder kennzeichnet, und wie er dann bei Cristina García Rodero auf das Mädchen fällt, das „in den Ähren“ (1988) schläft, während die Eltern arbeiten, prüft dieser Blick auch die Möglichkeit von Glück, von anstrengungsloser Selbstvergessenheit. Dieser Blick ist kein bestürzter Blick von außen, sondern einer von innen, gewissermaßen ein eingeborener Blick, der so viel besser weiß als alle anderen, was gefährdet ist und was unwiderruflich verloren. Der weiß, wofür es sich zu kämpfen lohnt, und der deshalb auch immer die Momente von Verheißung, von Hoffnung sucht und findet, auch dort wo das Leben scheinbar nur Überlebenskampf ist.

„Eine bessere Welt – unbedingt!“, Willy-Brandt-Haus, Wilhelmstr. 140, Di.–So. 12–18 Uhr, bis 10. November. Ausstellungskatalog (Kehrer Verlag) 39,90 Euro

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