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Archiv-Artikel

herr schönbohm kegelt alle neune von WIGLAF DROSTE

Es gibt auf der Welt nichts Verrohteres als einen Berufssoldaten. Wer sein Leben beim Militär verbrachte und nicht einmal Reue empfindet, dem ist nicht zu helfen, der kann seinen Kopf nur noch als Kanonenkugel abfeuern. Dass der pensionierte General und amtierende brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm den Fall einer neunfachen Kindstötung zum Anlass für die Gratisbehauptung nimmt, die „von der SED erzwungene Proletarisierung“ der Bevölkerung sei „eine der wesentlichen Ursachen für Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft“, zeigt den klassischen Fall einer Projektion.

Als Militär weiß Schönbohm alles über Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft. Armeen sind die Ausbildungs- und Brutstätten für Sadisten, Folterer, Vergewaltiger und Mörder. Man kann das in Afghanistan sehen, im Irak, in deutschen Bundeswehrkasernen, überall dort, wo aus Menschen Uniformträger gemacht werden, Befehlserteiler und Befehlsempfänger, zu Klumpen geballte, schwer bewaffnete, gedrillte und gedopte Tötungsmaschinisten. Neun erstickte Kinder in Brandenburg? Darüber kann ein Angehöriger eines deutschen Polizeibataillions nur müde lachen.

Wer oder was ist Jörg Schönbohm? Ein Exgeneral, der sinnlose Kommandos in den dichten Nebel brüllt, der ihn umgibt? Ein Mann, der auf verlorenem Posten sitzt und nun als Innenminister ungebremst die Deformationen auslebt, die er im Laufe seines Berufslebens erlitt? Als Hobby oder in der Gummizelle könnte man das tolerieren, aber dass der Mann für den durchsichtigen Versuch, seine eigene Kaputtheit posthum Erich Honecker anzulasten, ein Geld bekommt, ist allzu spendabel.

Schönbohms Barrasgekläffe hat für Aufregung gesorgt – es ist Wahlkampf, die Angst vor dem Wähler geht um. Speziell die Ostdeutschen, so sie nicht brav die Blockparteien SPD-CDU-FDP-Grüne ankreuzen, müssen an die Hand genommen werden – oder an die Kandare. Kinder umbringen ginge ja noch an, das sind dann immerhin ein paar unnütze Esser weniger, die dem Westen auf der Tasche liegen. Aber Linkspartei wählen geht gar nicht – auch Edmund Stoiber hat es klipp und klar gesagt: „Ich akzeptiere es nicht, dass letzten Endes erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird. Das wird nicht mehr sein. Wir leisten jedes Jahr etwa 120 bis 130 Milliarden Euro Finanzausgleich zur Aufbausituation der neuen Länder. Aber es darf nicht sein, dass letztlich die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands bestimmen.“

Mir trampeln die Deppen aus dem Westen genauso auf den Nerven herum wie die aus dem Osten, Deutsche sind sie allesamt, ihre komischen Probleme miteinander gehen mich nichts an. Dass aber die Ostdeutschen nicht komplett die Rolle der willfährigen Beute spielen, die man ihnen zuweist, hat lustige Effekte: Die bloße Ankündigung, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen, löst in Deutschland Angst und Panik aus. Man wird den Zonis das Wählen wohl gesetzlich verbieten müssen.

Einen besseren Wahlkampf für die Linkspartei als den von Schönbohm und Stoiber geführten aber kann sich auch der Bild-Kolumnist Lafontaine nicht ausdenken.