: Urteil: „Völlig verfehlte Gesundheitspolitik“
Weil er seinen Vater erschlagen hat, muss ein psychisch Kranker möglicherweise bis zum Lebensende in die Psychiatrie
Bremen taz ■ Das Bremer Landgericht ordnete am Freitag erwartungsgemäß die dauerhafte Unterbringung von Kurt B. in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der 51-Jährige hatte im vergangenen Jahr an Heiligabend seinen 84-jährigen Vater mit einer Axt und einem Hammer erschlagen. Schuldig gesprochen wurde er dafür nicht – Kurt B. leidet seit mehr als 20 Jahren an paranoider Schizophrenie.
Richter Harald Schmacke meldete sich bei der Urteilsverkündung mit harscher Kritik an der „völlig verfehlten“ bremischen Gesundheitspolitik zu Wort. „Deren Ergebnis sind Fälle wie der von Kurt B.“, so Schmacke – und verwies auf sieben ähnliche Prozesse, die er in den vergangenen zwei Jahren verhandelt hat. Schmacke weiter: „Das Landgericht ist völlig überlastet“.
Der Richter sprach sich dafür aus, psychisch Kranke „ganz radikal“ in die Klinik einzuweisen und dort auch gegen ihren Willen medikamentös zu behandeln. „Das sind wir der Allgemeinheit und den Kranken schuldig.“ Nur so könne die Menschenwürde der PatientInnen gewahrt bleiben, befand Schmacke – die stationäre Behandlung gewährleiste die „beste Hilfe“.
Deutlich zurückhaltender äußerte sich der psychologische Gutachter im vorliegenden Verfahren, Gunther Kruse. Der Freiheitsentzug für psychisch Kranke sei „sehr schwerwiegend“, so der Chefarzt des psychiatrischen Klinikums in Hannover, die Maßnahmen „drakonisch“: Wer auf Nummer sicher gehen wolle, müsse „immer einen Fuß in der Haustür“ haben.
Kurt B. wurde seit 1992 insgesamt 17-mal zwangsweise ins Krankenhaus eingewiesen, nachdem er zuvor seinen Vater geschlagen hatte. Nun wird er möglicherweise bis an sein Lebensende weggesperrt. Mit diesem Urteil folgte das Gericht dem Antrag von Staatsanwältin Tanja Wyluda.
Rechtsanwalt Jörg Hübel verteidigte vor Gericht die ambulante Therapie: Diese hätte „erfolgreich“ sein können, wären die medizinischen Vorgaben exakt eingehalten worden. So war B. am Tatabend bei seinen Eltern zu Besuch, ohne seine Medikamente genommen zu haben. Dadurch verschlechterte sich sein Zustand so sehr, dass es schließlich zu der Tat kam. Schon vorher hatte er – aufgrund seines Verfolgungswahns – die ärztliche Behandlung abgelehnt. Auch die Krankheit selbst sei ihm nicht bewusst gewesen, so Kruse.
Zugleich stellte der Psychologe dem Patienten eine durchaus positive Diagnose: Es sei denkbar, das B. „in einigen Jahren“ wieder in die ambulante Therapie überführt werden könne. Schmacke will dem jedoch nur zustimmen, wenn jede Gefahr für Dritte ausgeschlossen werden könne. Jan Zier