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Der gespaltene Siegfried

In der Reihe „Diskurs Bayreuth“ versuchen sich Feridun Zaimoglu und Günter Senkel gemeinsam mit Regisseur Philipp Preuss daran, sich Siegfried Wagner, dem Sohn von Richard und Cosima, in einem „Monolog“ zu nähern

Von Joachim Lange

Ein Gespenst geht um in der Villa Wahnfried. Wie ein Schatten schwebt die Gestalt durch die Räume. Und plötzlich spricht es. Über dem Grundrauschen, das wie das Stimmen der Ins­trumente eines ganzen Orchesters klingt. Es ist die Stimme von Winifred Wagner – jener Frau, die die Festspiele von 1930 bis 1944 leitete und die noch 1975 in dem berühmt gewordenen Syberberg-Film vor laufender Kamera alle Welt mit ihren ungetrübt freundlichen Erinnerungen an „ihren seligen Adolf“ verblüffte.

So beginnt die von Philipp Preuss inszenierte Uraufführung des Schauspiels „Siegfried“ im ehemaligen Kino Reichshof mitten in Bayreuth. Die beiden Autoren Feridun Zaimoglu und Günter Senkel nennen es einen Monolog. Auf der Bühne oft im Dialog, immer aber im Zweierpack. Felix Axel Preißler (Schauspiel Leipzig) und Felix Römer (Schaubühne Berlin) spielen das exzessiv aus.

Es ist ein Auftragswerk der Festspiele und gehört zur Reihe „Diskurs Bayreuth“, mit der Festspielchefin Katharina Wagner seit zwei Jahren die Möglichkeiten der Blickerweiterung ausschöpft, die ihr die Satzung der Stiftung lassen. Für Konzerte in Wahnfried, Symposien und eben Auftragswerke, die irgendeinen Bezug zu Richard Wagner und seiner Rezeption in Bayreuth und überhaupt haben.

In „Siegfried“ geht es nicht um den germanischen Helden, sondern um den Sohn Cosimas und Richards. Den Stammhalter. Den Erben. Den Mann, der keine Chance hatte, wirklich zu sich selbst zu finden. Als Thronfolger, als Schwuler in homophoben Zeiten, als Komponist. Von heute aus betrachtet war er besonders als Festspielleiter erfolgreich. Er brachte den Laden nach der kriegsbedingten Zwangspause ab 1914 schon zwei Jahre nach Kriegsende wieder in Schwung. Er starb 1930 – noch vor der Premiere seiner „Tannhäuser“-Inszenierung am 4. August. In diesem Jahr, am 6. Juni, jährte sich sein Geburtstag zum 150. Mal. Genug Anlass, an ihn zu erinnern.

Eine Sonderausstellung des Richard Wagner Museums in der Villa Wahnfried „Siegfried Wagner. Eine Spurensuche“ lag sinnigerweise in der festspielfreien Zeit (die aktuelle widmet sich dem 100. Geburtstag von Wolfgang Wagner!). Eine große Ausstellung im Schwulen Museum Berlin vor zwei Jahren sah Siegfried Wagner vor allem als den bekanntesten Homosexuellen Anfang des 20. Jahrhunderts. Was damals hieß, wer es wissen wollte, wusste es. Von dem in der Beziehung berüchtigten Maximilian Harden stammt das Wort „Heiland aus der andersfarbigen Kiste“. Für jeden sichtbar, war er der Ehemann von Wini­fred und der Vater seiner immerhin vier Kinder.

Von all dem fließt etwas in den Monolog ein, aus dem der Hausregisseur des Leipziger Schauspiels handfestes Theater gemacht hat. Es ist auch eine Suche nach sich selbst. Mit Ausbrüchen von Verzweiflung. Ohne sich an einer Art Bühnenbiografie zu versuchen. Die Autoren und der Regisseur setzen in Bayreuth und während der Festspiele wohl zu Recht ein mit Grundkenntnissen ausgestattetes Publikum voraus.

Der beherzt auf zwei pausenlose Stunden eingekürzte Text konzentriert sich erst auf das Jahr 1914 und dann auf 1930. Also auf den Unverheirateten, den die grassierende Kriegs­euphorie erfasst hat. Und den Festspielleiter im Dunstkreis des künftigen Machthabers und seiner Ideologie. Da Preuss den innerer Monolog nach außen verdoppelt, kommt er der inneren Zerrissenheit seines Helden per se nahe. Bei dem sich auch Kritik am Judenhass und Nähe zu den Nazis nicht ausschließen.

Die beiden Protagonisten ziehen alle Register moderner Schauspielkunst

Die beiden Protagonisten wechseln mit souveräner Leichtigkeit vom jungen zum alten Siegfried, imaginieren ihn mal mit Mutter Cosima, mal mit Gattin Winifred. Werfen sich das Kleid und die Perücke für die Frauen über, entblößen sich mal bis auf die Unterwäsche, suhlen sich im metaphorischen Dreck des Bühnenbodens.

Dazwischen irrlichtern spielerisch Texte von Siegfried selbst. Die beiden ziehen alle Register moderner Schauspielkunst. Wenn beide am Ende unter einem Riesenballon verschwinden (Bühne und Kostüme stammen von Ramallah Sara Aubrecht) und Siegfried seine künftige Witwe fragt, ob sie denn seine Opern aufführen werde und das Witwengespenst mit einem kurzen Nö antwortet, wird die Tragik dieses Künstlerlebens noch einmal offensichtlich.

Seine Enkelin Katharina Wagner kam zur Premierenfeier – sie war als Festspielchefin oben auf dem Grünen Hügel voll im Einsatz, wo Christian Thielemann beim aktuellen „Tannhäuser“ für Valery Gergiev kurzfristig einspringen musste. Der anerkennende Beifall des Premierenpublikums im Reichshof für ihren neuesten Versuch der Öffnung der Festspiele hing da noch in der Luft.

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