Harter Aufprall zum Auftakt

Frank Lampard hat nicht viel Erfahrung als Trainer. Dennoch setzt man beim FC Chelsea auf ihn. Dass der Klub keine Transfers tätigen darf, macht seine Aufgabe nicht leichter

Applaus, Applaus! Wofür eigentlich? Chelseas Trainer Frank Lampard nach dem 0:4 bei ManU Foto: Phil Noble/reuters

Aus Manchester Hendrik Buchheister

Frank Lampard wird verschiedene Szenarien durchgegangen sein vor seinem Debüt als Trainer des FC Chelsea. Er wird sich überlegt haben, wie er der Öffentlichkeit eine mögliche Niederlage zum Saisonstart bei Manchester United erklären könnte. Aber dass er von seinem einstigen Lehrmeister angegangen werden würde? Darauf war der Ex-Nationalspieler ganz offensichtlich nicht vorbereitet. Es war ja ein schöner Coup, den der Bezahlsender Sky Sports zur neuen Saison gelandet hat mit der Verpflichtung von José Mourinho als „Pundit“, wie es in England heißt, also als Fachmann im Studio. Seinen ersten Einsatz hatte der „Special One“ beim Aufeinandertreffen seiner beiden Ex-Klubs im Old Trafford.

Bei der Fahndung nach Gründen für Chelseas krachenden Fehlstart (0:4) landete er auch bei Lampards Aufstellung. Mourinho warf seinem langjährigen Profi vor, ein zu junges Team aufgeboten zu haben. „Ich habe das Gefühl, dass sie mit ein bisschen mehr Know-how hätten spielen können. Ein bisschen mehr Erfahrung hätte dem Team gutgetan“, sagte der Portugiese und kritisierte Verteidiger Andreas Christensen, 23, Mittelfeldspieler Mason Mount, 20, und Angreifer Tammy Abraham, 21.

„Das hat er gesagt? Wow!“, staunte Lampard, selbst erst 41, als er mit Mourinhos Urteil konfrontiert wurde, und setzte zum Gegenschlag an. „Ich kann niemanden aus dem Behandlungszimmer holen“, sagte er mit Blick auf die lange Verletztenliste. Unter anderem fallen im Moment Abwehrchef Antonio Rüdiger, Weltmeister N’Golo Kanté und Willian aus oder sind noch nicht in Vollbesitz ihrer Kräfte. „Ich muss mir nicht zu viele Gedanken darüber machen, was irgendjemand anderes sagt“, bekundete Lampard.

Damit gelang ihm, bewusst oder unbewusst, ein Ablenkungsmanöver, wie es Mourinho selbst nicht besser hinbekommen hätte. Denn viele Schlagzeilen galten nach dem Spiel der Auseinandersetzung zwischen Lampard und seinem einstigen Trainer, nicht Chelseas Mängeln zum Saisonstart.

Die Blues-Legende hat noch viel Arbeit vor sich bei dem Klub, mit dem er als Spieler in 13 Jahren dreimal Meister wurde und die Champions League gewonnen hat. Chelsea hielt gegen die ebenfalls junge United-Mannschaft gut mit, traf den Pfosten und das Lattenkreuz, doch das alles nützte nichts. Im Angriff fehlte die Konsequenz, und im Abwehrverhalten wirkten Lampards Spieler in den entscheidenden Momenten wie Jugendliche, die sich auf die große Fußballbühne verirrt hatten. Alle Gegentreffer resultierten aus individuellen Fehlern oder schnellen Gegenstößen. Ein Reality Check sei die Partie gewesen, sagte Lampard. Es war ein harter Aufschlag in der Realität.

Wie Jugendliche, die sich auf die große Fußballbühne verirrt haben

Das 0:4 im Old Trafford war ein denkbar schlechter Start für Lampards ohnehin komplizierte Mission bei Chelsea. Der Verein aus dem Londoner Südwesten hat im Sommer seinen besten Mann Eden Hazard an Real Madrid verloren und konnte selbst keine Verpflichtungen tätigen, weil die Fifa ihn mit einer Transfersperre wegen Regelverstößen bei der Rekrutierung von Jugendspielern belegt hat. Der einzige echte Zugang ist der Ex-Dortmunder Christian Pulisic, dessen Unterschrift sich der Klub schon Anfang des Jahres gesichert hatte. Darüber hinaus muss Lampard verstärkt auf Talente wie Abraham, Mount oder die im Moment verletzten Callum Hudson-Odoi oder Ruben Loftus-Cheek setzen.

Lampard hat erst eine Saison bei Derby County in der zweiten Liga als Trainer-Erfahrung vorzuweisen. Unter normalen Umständen wäre er damit nicht ausreichend qualifiziert für den FC Chelsea. Doch Lampard gilt als Nachwuchs-Förderer und genießt beim Publikum wegen seiner Vergangenheit einen enormen Vertrauensvorschuss. Das nährt die Hoffnung, dass er der richtige Mann für Chelseas spezielle Situation sein könnte. Die krachende Niederlage zum Auftakt ist für ihn kein Grund zur Panik. „Wir müssen die guten Dinge mitnehmen und die schlechten korrigieren“, sagte er. Und zwar schnell.

Am Mittwoch geht es im europäischen Supercup in Istanbul gegen den Champions-League-Sieger FC Liverpool.