: Wie im Käfig
JUSTIZ Vor dem Landgericht muss sich ein ehemaliger Callcenter-Manager verantworten, der die Mutter seiner beiden Söhne mit Pflastersteinen erschlug
Es sollte ein romantischer Filmabend werden. Mit Wein und Erdnüssen in der Handtasche begab sich Andrea V. zu ihrem Mann. Zwar hatte sich die 32-jährige Kolumbianerin im Frühjahr 2011 vom Vater ihrer beiden Söhne getrennt. Nachdem sie aber erfahren hatte, dass Helmut K. in Kolumbien bereits eine Nachfolgerin für sie gefunden hatte, wollte sie ihn zurückerobern – der Plan endete tödlich. Am 30. September vergangenen Jahres verschwand die junge Frau, sechs Wochen später führte ihr Mann die Polizei zu ihrer stark verwesten Leiche, die er in einem Marzahner Abwasserkanal deponiert hatte.
Nun verhandelt das Berliner Landgericht gegen den hageren, blassen 48-Jährigen. Äußerlich unbeeindruckt hört sich der ehemalige Callcenter-Manager an, was die Zeugen über die seltsam kühle Beziehung zwischen ihm und seiner dritten Frau berichten. Neun Jahre zuvor hatten sich die beiden über eine virtuelle Ehebörse kennengelernt. Die kleine, zierliche Frau zog aus Kolumbien nach Berlin und gebar zwei Söhne. Dem Deutschen soll sie damals die „perfekte Frau“ gewesen sein. „Sie bügelte und kochte, sie war wie im Käfig“, sagt ihre beste Freundin.
Als Andrea V. Kontakt zu anderen Lateinamerikanern bekam, begann ihre Ehe zu kriseln. Es habe am Geiz des mehrfachen Immobilienbesitzers gelegen, glauben ihre Freundinnen. Er habe ihr monatlich nur 200 Euro zum Wirtschaften gegeben. „Er hat sogar die Äpfel gezählt, die die Kinder essen durften.“
Als er Andrea V. nicht nur seelisch, sondern auch körperlich attackierte, zog diese im Frühjahr 2010 in eine neue Wohnung. Wenig später soll Helmut K. dort ein- und wieder ausgezogen sein. So ging es hin und her: Im Frühjahr 2011 reichte die Kolumbianerin die Scheidung ein, im Sommer zog sie den Antrag zurück. Da hatte sie von der neuen Freundin ihres Mannes erfahren und befürchtete, dass er mit dieser eine neue Familie gründet. „Sie hatte Angst, dass sie bei einer Scheidung nicht die Kinder zugesprochen bekommt, weil sie arbeitslos und Kolumbianerin war“, berichtet ein Landsmann.
Zudem sehnte sie sich nach einer intakten Familie. Darum warb sie massiv um die Gunst ihres Gatten. Sechs Wochen vor ihrem Tod schrieb sie ihm einen Liebesbrief, danach traf sie ihn regelmäßig zum Sex. Niemand sollte davon erfahren – Andrea V. fürchtete die Kritik ihrer Bekannten und wollte ihren Kindern keine falschen Hoffnungen machen.
An ihrem letzten Lebenstag aber sollte sich das ändern: Sie wolle nicht mehr morgens wie eine Hure aus dem Haus schleichen, sondern gemeinsam mit Mann und Kindern frühstücken, verriet sie ihren Freundinnen. Vor ihrem Stelldichein probierte sie ihren gesamten Kleiderschrank durch und drehte sich Locken, wie er sie liebte. „Sie wollte ihn verrückt machen“, so die beste Freundin.
In dieser Nacht wurde sie mit einem Beutel voller Pflastersteine erschlagen und mit einer Schnur erdrosselt. Welche Gewalt tödlich war, konnten die Gerichtsmediziner anhand der mittlerweile verfaulten Leiche nicht mehr feststellen. Zu lange hatte Helmut K. den Ahnungslosen gemimt, der seine Frau vermisst.
Die Freunde von Andrea V. hatten den Ehemann sofort verdächtigt, die Polizei puzzelte sich über diverse Ungereimtheiten an ein Geständnis. Helmut K. behauptete erst, seine Frau in Notwehr erschlagen zu haben, sie habe ihn mit einer Sektflasche angegriffen und ihm dabei den Arm gebrochen. Doch warum lag quasi griffbereit unter dem Bett in seinem Schlafzimmer ein Beutel mit Pflastersteinen? Und warum erdrosselte er sein Opfer noch mit einer Schnur? Wieso besorgte er eine Woche vor ihrem Tod einen Fahrradanhänger, mit dem er die Leiche zu einem perfekten Versteck fuhr?
Möglicherweise liegt die Staatsanwältin nicht falsch, wenn sie dem Angeklagten Habgier als Mordmotiv unterstellt: Er habe Scheidungskosten und Unterhalt sparen wollen. Das Urteil wird im November erwartet.
UTA EISENHARDT