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Mehr von diesen Feinheiten

Die Antwort auf die Frage, ob Sunn O))) vorgestern bei ihrem Auftritt im Festsaal Kreuzberg unter ihren Kapuzen lächelten, lautet: ja

Von Robert Mießner

Die einsamste Discokugel der nördlichen Hemisphäre drehte am Mittwochabend an der Decke des Festsaals Kreuzberg so unbeirrt wie unbemerkt ihre Runden. Auf der Bühne standen, einem halbierten Stonehenge ähnlich, über ein Dutzend Verstärkertürme, die vor Konzertbeginn ein gelegentliches Zischen wie von einem Klapperschlangenchor von sich gaben und langsam, aber sicher in einen Kunstnebel getaucht wurden. Etwas bereitete sich vor, so viel war klar.

Kurz nach 21 Uhr dann senkte sich plötzlich Dunkelheit über den Saal. Durch den Raum fuhr ein metallisches Knacken, so sehr, als hätte einer der Metallträger einen Riss bekommen. Alsdann entlud sich ein Basston, der Boden, Fußsohlen und Hosenbeine zum Vibrieren brachte. Und erst dann, die Nebelschwaden hatten sich verdichtet und waberten mittlerweile in einer schwefelgelben Beleuchtung, ließ sich am linken Bühnenrand eine Gestalt ausmachen, eine Figur, als sei „Der Schwarze Abt“ von Edgar Wallace unter die Rockmusiker gegangen. Der Kapuzenmann in schwarzer Robe, der sich da über sein Saiteninstrument beugte und ihm ein wohliges Schauern entlockte, war Greg Anderson von der US-amerikanischen Drone-Band Sunn O))).

Für zwei Abende, der Dienstag war ausverkauft, der Mittwoch immer noch sehr gut besucht, hatten sie in den Festsaal gerufen. Sunn O))) und ihr Support-Act, der von ihnen reaktivierte Berliner Noise-Gitarrist Caspar Brötzmann, gelten als sperrig, ein Ruf, den sich beide wacker erspielt haben. Wer um Himmels und Hölle willen hört sich das an? Nun, im Publikum fanden sich Brigaden von Metallurginnen und Metallurgen in schwarzen T-Shirts, farbenfrohere Jazzfans und ganz normal Verstrahlte; wenn diese Musik ein Nischenphänomen sein soll, dann ist es eine relativ große Nische, was einen Grund zur Freude darstellt. Überhaupt sollte dieser Sound nicht als furchteinflößend gehört werden, er verursacht Heiterkeit.

Denn natürlich ist die Sunn- O)))-Darbietung auch eine Inszenierung: Nach und nach nämlich wuchs die Band zu einem Quintett an, am rechten Bühnenrand hatte sich Gitarrist und Komponist Stephen O’Malley postiert. In dem Nebel, der mittlerweile zwischen Violett und Rot changierte, gaben sich die Musiker, allesamt in Mönchsroben, Handzeichen, als wären sie Köche eines ausgesuchten Mahls. Eines in zwei Gängen, der erste erstreckte sich über reichlich eine Stunde, zu deren Ende hin Sunn-O)))-Musiker Steve Moore gar zu einer Posaune griff, die in dem basshaltigen, lavaartigen Brodeln plötzlich für helle Akzente sorgte. Mit Attila Csihar, dem ungarischen Sänger der Black-Metal-Band Mayhem, hatte sich ein Zeremonienmeister dazugesellt. Seine Intonation schien irgendwo aus einer osteuropäischen Tiefebene oder einem skandinavischen Wald herüberzuwehen und wechselte zwischen tiefem Grollen und kurzem Kieksen. Den zweiten, circa halbstündigen Teil des Abends bestritt er mit einem ausgedehnten solistischen Intro.

So weit, so beeindruckend. Aber: Sunn O))) hatten ihre neue Platte, „Life Metal“, im Gepäck, erschienen auf dem von Anderson und O’Malley gegründeten Label Southern Lord. Eine wunderbare, ­nuancenreiche Musik, eingespielt mit Gastmusikern wie der Cellistin Hildur Guðnadóttir und dem Organisten Anthony Panteras, bekannt von Veröffentlichungen auf John Zorns Label Tzadik. Nicht, dass es sie nicht gegeben hätte, aber mehr von diesen Feinheiten wären schön gewesen. Und, weil es kaum je passieren wird: Richtig hart wären Sunn O))), kämen sie dereinst mit Akustikgitarre und Triangel auf die Bühne. Die Frage, ob sie unter ihren Kapuzen lächeln, darf mit Ja beantwortet werden.

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