berliner szenen: Könnt ihr Bettwäsche sparen
A. holt mich ab und wir laufen durch den noch warmen Abend kreuz und quer durch Kreuzberg, passieren die belagerte Admiralbrücke, die in jedem Reiseführer steht, und holen uns kalte Brause bei einem Kiosk. Wir setzen uns auf den Mariannenplatz, der früher in jedem Reiseführer stand, auf Bänke, die sich schräg gegenüber stehen, dazwischen ein kleiner, runder Tisch, auf den wir die Flaschen absetzen.
Wir unterhalten uns über prekäre Zeiten, die wir beide erlebt hatten, über verkaufte CD-Sammlungen, die schmerzhaft vermisst werden, über Bücher, die fehlen, die man zwar wieder kaufen könnte, was aber nicht dasselbe wäre. Nach einer Weile setzt sich ein alter Mann seitlich auf die Bank von A., mit dem Rücken zu ihm. Sein großer, dunkler Hund legt sich zu seinen Füßen und schläft. Der Mann bewegt sich nicht, sodass wir ihn vergessen und uns weiter unterhalten, als wäre er nicht da. Nach ein paar Minuten ruft hinter mir eine Frau: „Geht es dir gut?“ Der Mann ruft, ohne sich zu bewegen: „Ja!“ Die Frau wieder: „Zu Hause alles gut?“ Wieder ruft der Mann bewegungslos: „Ja!“
Wir unterhalten uns weiter, die Dämmerung setzt ein und als es dann dunkel ist, erhebt sich der Mann, dreht sich zu uns um und sagt nach einer Weile, während er auf seinen Hund deutet: „Ich werde nicht angegriffen. Wegen ihm!“ – „Das ist gut“, sagen wir. „Der springt von vorne, wisst ihr, Schäferhunde von der Seite, aber der hier, zack von vorne.“ Wir nicken. „Ich trinke noch einen Schluck Kaffee und dann so!“ Er legt seine Hände mit ausgestreckten Fingern aneinander und lehnt seinen zur Seite geneigten Kopf dagegen. „Warm, es ist warm. Ihr könnt hier schlafen. Könnt ihr Bettwäsche sparen.“ Dann zieht er sanft an der Leine, der große, dunkle Hund erhebt sich und beide verschwinden in der Nacht. Björn Kuhligk
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