Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um:
Wie gehen Gesellschaften mit Spuren der Vergangenheit um? Und wie ist dies von soziopolitischen Umständen bestimmt? Solche Fragen treibt das Künstlerduo Tehnica Schweiz, bestehend aus Gergely László und Péter Rákosi, um. Die beiden in Ungarn geborenen Künstler reisten dafür nach Tata, wo bis vor Kurzem und mehr als 40 Jahre lang die Gipsabgusssammlung antiker Skulpturen des Museums für Schöne Künste in der ehemaligen Synagoge des Orts gezeigt wurde – vor dem Zweiten Weltkrieg waren zehn Prozent der Bevölkerung Tatas jüdischen Glaubens. Tehnica Schweiz filmten, wie Restaurator*innen die Skulpturen in Kisten verpackten und abtransportierten und wie die Synagoge leer zurückblieb. Im Anschluss veranstalteten sie dort einen Porzellanworkshop für Kunststudierende, in der diese kleine Replikate der antiken Replikate anfertigten. Eben jene aus Porzellan nachgebildeten Abbilder der Skulpturen begleiten den Film als Installation im Kreuzberger Kunstraum Decad, Kopien von Kopien also, jedoch in Miniaturgröße. Das Duo stellt sie auf einer blau bestrichenen Sperrholzkonstruktion auf, ein Provisorium für die Ersatzkunstwerke, die sich nun im Film spiegeln. „The Blue Room“ – fantastisch von einer Komposition Viktor Bátkis untermalt – zeigten Tehnica Schweiz zunächst in der ehemaligen Synagoge selbst, was noch eindrucksvoller gewesen muss (bis 21. 9., Do.–Sa. 14–19 Uhr, Gneisenaustr. 52).
Auch bei den Landschaften, die Ilkka Halso fotografisch präsentiert, handelt es sich um Nachbildungen. Bei Taik Persons hängen großformatige Abzüge an den Wänden, auf denen sich Bäume, Sträucher, Flüsse von ihrer besten Seite zeigen. Sie posieren auf Bühnen, in filigranen Pavillonbauten, erscheinen als reine Attraktionen. Halso baut diese Landschaften und Biosphären artifiziell nach, digital wie analog. Es sind metaphorisch überzeichnete Zukunftsvisionen einer künstlich konservierten Natur, als Ersatz für die echte, dann wohl längst zerstörte (bis 31. 8., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Lindenstr. 34).
Das Meer ist Thema bei Matthias Esch in der Schaufenstergalerie SOX. Allen in Berlin gebliebenen gibt er ein Gefühl mit, das – wie es heißt – nur ein Bild vermitteln könne, „like the Ocean does“. Abstrahiert, formalisierte Wellenlinien hat Esch dafür in den von ihm bevorzugten kräftigen Violettschattierungen aufs Papier gemalt. Die Schwarz-Weiß-Fotografie daneben, auf der man aus dem Fenster auf die Weiten des Ozeans blickt, erzählt von Sehnsüchten und Seesüchten, holt das Meer ein bisschen näher heran an Kreuzberg (bis 9. 8., durchgehend, Oranienstr. 175).
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