die woche in berlin
: die woche in berlin

Das Ernst-Thälmann-Denkmal erklärt sich nicht von allein, eine künstlerische Kommentierung soll her. Das Volksbegehren für Gesunde Krankenhäuser lehnt der Senat ab, nun müssen Richter über die Zulässigkeit entscheiden. Und es hagelt Kritik daran, dass sämtliche Sharingangebote an der Ringbahn enden und die Außenbezirke leer ausgehen

Ernst Thälmann: Kommentar statt Grafitti

Künstlerischer Wettbewerb für Denkmal aus DDR-Zeiten

Seit 1986 steht er nun schon in Prenzlauer Berg: Ernst Thälmann. In pathetischer Pose und Bronze verewigt, mit Flagge und Plattenbau im Hintergrund. Ein imposanter Koloss aus Metall auf auffällig rotem Granit. Den Mythos eines Mannes mit langer Geschichte, die vermutlich selbst viele ehemalige DDR-Bürger nicht mehr ganz zu rezitieren wissen, geschweige denn die vielen Touristen, die an der unübersehbaren Plastik an der Greifswalder Straße vorbeifahren. Viele werden wahrscheinlich nicht einmal wissen, wen sie da überhaupt vor sich haben, vor allem, da der Namenszug auf dem Denkmalsockel vor lauter Grafitti nicht mehr zu lesen ist.

Stellvertretend für das Land Berlin hat das Bezirksamt Pankow deswegen am Montag die sogenannte Kommentierung des Denkmals als Kunstwettbewerb ausgeschrieben. Eigentlich konsequent angesichts der Tatsache, dass nicht nur das Denkmal nach der Wende in seiner ganzen Pracht stehen blieb (im Gegensatz zum ungleich größeren Lenin-Denkmal in Friedrichshain), sondern der angrenzende Park inklusive Wohntürme den Namen Ernst-Thälmann-Park behalten durfte – erstaunlicherweise.

Seit 2014 steht die gesamte ehemalige DDR-Vorzeigesiedlung unter Denkmalschutz. Da sollte es eigentlich an der Zeit sein, die großen Fragezeichen hinter der Geschichte der Gedenkstätte aufzuklären. Und da Partizipation die Akzeptanz erhöht, gibt es nach dem Motto „Besser gut delegiert statt schlecht selbst gemacht“ direkt einen Wettbewerb dazu.

Problem dabei ist nur, dass sowohl die Skulptur selbst als auch die Person Thälmann umstritten sind. Für die einen gilt er immer noch als der „Führer seiner Klasse“ (wie ein DDR-Filmklassiker ihn betitelte), und für die anderen ist er schlicht und ergreifend eine tragische Person seiner Zeit, die mit der ihr anvertrauten Aufgabe – dem Vorsitz der KPD – maßlos überfordert war. Auch das Denkmal selber, das zu einer Zeit enthüllt wurde, als die DDR schon auf wackligen Füßen stand und das komplette Jahresaufkommen des Landes in Bronze verschlang, bedarf einiges an historischer Aufklärung.

Bleibt abzuwarten, ob die einzureichenden künstlerischen Interpretationen imstande sind, die Ambivalenz dieses Orts einzufangen. Danach könnte sich die Stadt auch noch die anderen Denkmäler in Berlin vornehmen, bei denen ebenfalls Klärungsbedarf besteht: zum Beispiel das kriegsverherrlichende Ding auf dem Gipfel des Kreuzbergs. Zumindest sollte die Kommentierung den Grafitti-Befall am Thälmann-Denkmal ersetzen … obwohl die bunten Schriftzüge – wenn auch nicht legal – ebenfalls eine gewisse Art der Kommentierung darstellen. Tobias Kannler

Danach könnte sich die Stadt auch noch die anderen Denkmäler vornehmen, bei denen ebenfalls Klärungs- bedarf besteht

Tobias Kannlerüber den Wettbewerb für die künstlerische Kommentierung des Ernst-Thälmann-Denkmals in Prenzlauer Berg

Hey, Senat, da geht noch viel mehr

Volksbegehren Krankenhäuser vor rechtlicher Prüfung

Für einen juristischen Laien ist schwer zu beurteilen, ob die am Dienstag vorgebrachten Gründe des Senats, das Volksbegehren Gesunde Krankenhäuser als rechtlich unzulässig abzulehnen, stichhaltig sind. Auf den ersten Blick leuchtet es zwar ein, dass die Festsetzung einer Untergrenze für Pflegepersonal in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegt. Aber auch die Argumente der Initiative klingen plausibel: Sie verweist auf Paragraf 6 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, wo es heißt: „Durch Landesrecht (…) können weitere Qualitätsanforderungen zum Gegenstand der Krankenhausplanung gemacht werden.“ Muss man das nicht so verstehen, dass ein Land selbstständig festlegen kann, wie viele Pfleger mindestens im Dienst sein müssen, um zum Beispiel 40 Patienten auf einer normalen Station zu betreuen?

Welche Interpretation sticht, muss nun der Berliner Verfassungsgerichtshof entscheiden. Leider, muss man sagen, haben Richter in Hamburg ein sehr ähnliches Volksbegehren bereits abgelehnt . Das muss nichts heißen, lässt aber auch nicht unbedingt große Hoffnungen.

Aber auch jenseits juristischer Finessen bleibt festzuhalten: Der Senat könnte schon jetzt mehr tun, um die Qualität in Berliner Krankenhäusern zu steigern. Immerhin gehören dem Land mit Charité und Vivantes rund die Hälfte der Berliner Krankenhäuser. Wenn die rot-rot-grüne Regierung wirklich für die Ziele des Volksbegehrens einsteht, wie sie immer sagt: Warum weist sie nicht die GeschäftsführerInnen ihrer Kliniken an, zunächst einmal verbindlich festzustellen, wie hoch überhaupt der Personalbedarf ist, wenn man anerkannte Bemessungsgrenzen zugrunde legt?

Allein das schon ist nämlich kurios: dass die Krankenhäuser bis heute gar nicht genau wissen, wie viel Pflegepersonal sie brauchen, um den allseits anerkannten Notstand zu beheben. Man darf vermuten: So genau wollen sie es auch gar nicht wissen.

Wüssten sie es, könnte der Senat sie darauf verpflichten, entsprechend einzustellen. Das würde sie nicht einmal etwas kosten, argumentieren die Leute vom Volksbegehren: Laut dem Sofortprogramm Kranken- und Altenpflege von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) übernehme der Bund jede zusätzlich eingestellte Pflegekraft. Das alte Argument, mehr Personal sei für die Häuser schlicht zu teuer, ziehe also nicht mehr.

Apropos teuer: Auf jeden Fall hat das Volksbegehren ganz grundsätzlich recht, wenn es sagt, der Senat müsse, ebenso wie der Bund, die kapitalistische Verwertungslogik im Gesundheitssystem überwinden. Gesundheit ist keine Ware, die man gegen Kosten aufwiegen darf. Sie ist unser Leben. Susanne Memarnia

Dann muss man eben nach­verhandeln

Kritik an der Sharing-Wüste in den Außenbezirken

Berlin und seine Inseln: Da gibt es die Museumsinsel, die tatsächlich von Spreewasser umflossen wird, aber auch die Rote Insel, wo Bahntrassen die Rolle des flüssigen Elements übernehmen. Deutlich größer ist die vom S-Bahn-Ring eingeschlossene Innenstadt, die man aber getrost als „Insel der Mobilitätsseligen“ bezeichnen kann. Gerade heutzutage, wo Sharingangebote immer selbstverständlicher werden: Die nämlich enden zumeist abrupt an der Ringbahn.

Dass das in dieser Woche aus den Reihen der Opposition wieder angeprangert wurde, ist richtig, schließlich gehören die ganzen Leihräder, -roller und mehr oder weniger auch -autos zum Umweltverbund, also zur Gesamtheit urbaner Fortbewegungsmittel, die nicht dem motorisierten Individualverkehr zuzurechnen sind. Die Alternative zum Auto könnten die Leihgefährte auch und gerade in der Tarifzone B stärken, wo Bahn- und Busnetz luftiger werden.

Den privaten Sharingunternehmen vorzuschreiben, auch „jott-de-err“ (jenseits des Rings) aktiv zu werden, dafür gibt es allerdings kaum rechtliche Handhabe. Ihre Gewinnmargen dürften in dünner besiedeltem Gebiet eben schmaler ausfallen – wobei auch hier noch etliche hochverdichtete Stadtteile liegen.

Insofern ist es nur folgerichtig, anzunehmen, dass ein Bike-Sharingdienst, der Mil­lionenzuschüsse vom Senat erhält, etwas gemeinwohlorientierter handelt. Tatsächlich hat nextbike, das 2016 den Fördervertrag des Landes ergatterte, auch rund 140 Stationen hinterm Ring beantragt, was recht überschaubar ist, aber immerhin ein Anfang.

Das Problem: nextbike liefert sowieso nicht, was vereinbart ist. Auch nach zwei Jahren mit Staatsknete ist man meilenweit vom gewünschten Ergebnis entfernt, statt 5.500 Rädern stehen nur 2.700 auf der Straße. Schuld daran sind – sagen nextbike und die Senatsverkehrsverwaltung – die Bezirke, die mit der Genehmigung der Stationen hinterherhinken. Weil – sagen die Bezirksämter – sie vom Senat zu wenig Personal bekommen, um das zu bewerkstelligen.

So gesehen war es ein kapitaler Fehler, das Ausrollen des Systems an den Aufbau physischer Stationen zu koppeln, auch wenn die ein paar Vorteile wie Sichtbarkeit und Umkippschutz haben. Es wäre also im Sinne aller, würde die Verkehrsverwaltung in Nachverhandlungen gehen, um den Vertrag entsprechend zu korrigieren. Wenn das was kostet, sei’s drum: Das viele für die Fahrradwende zurückgelegte Geld kann unter den derzeitigen Anlaufschwierigkeiten beim Stadtumbau ohnehin nicht abfließen.

Dann könnte auch ein weiteres großes Ärgernis endlich behoben werden: das nicht eingelöste Versprechen aus dem Koalitionsvertrag von R2G, den Abo-KundInnen des ÖPNV die erste halbe Stunde Radmiete zu spendieren. Erst wenn das klappt, ist ein echter Fortschritt für den Umweltverbund erreicht. Claudius Prößer