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Archiv-Artikel

Keinen Kaffee für Merkel

Kontrollierte Kühle mit „doofem Pokergesicht“ tritt an gegen jovial-sorglosen Schwadroneur, der alles auf eine Karte setzt – oder Das ZDF porträtiert Kanzlerkandidaten. Heute: Frau M. (20.15 Uhr)

Auch jenseits politischer Bewertungen: Unterschiedlicher könnten die Gegner nicht sein

von SOLVEIG WRIGHT

Angela Merkel ist klar und direkt. Auch wenn sie die Arbeit eines Mitarbeiters nicht schätzt. Als ihr ein Untergebener eine Vorlage reicht, fährt sie ihn eisig an: Das eine Detail, das sei nicht ausgemacht gewesen. Der Mann rudert sofort zurück. Erst dann wird die Chefin freundlicher. – Ganz anders Gerhard Schröder. Der Medienkanzler flaniert mit Kindern, Hund und Frau durch den Park. Er ist locker und jovial. Die Menschen gucken und winken, er grinst zurück.

Die beiden Szenen eröffnen jeweils die Porträts von Kanzlerkandidatin und das des Regierungschefs, die das ZDF zur vorgezogenen Bundestagswahl in Auftrag gegeben hat. Jenseits politischer Bewertungen zeigen sie: Unterschiedlicher könnten die Gegner nicht sein. Auf der einen Seite der sympathische Gerd auf dem absteigenden Ast, dagegen die überkontrollierte und kühle Frau Merkel, die seit 15 Jahren konstant Karriere macht.

Die Dame hat den Vortritt. Im Film „Angela Merkel: Jetzt oder nie“, steht heute ihr bruchloser Aufstieg von der Pressesprecherin des Demokratischen Aufbruchs zur Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidatin der Union im Mittelpunkt. Wie die Ostdeutsche sich in dieser Zeit verändert hat, ist die Leitfrage der Autoren Michaela Kolster und Ulf-Jensen Röller. Sie haben dafür die politischen Gefährten von Merkel interviewt, die Beobachter ihrer Karriere und Archivmaterial gesichtet.

Sie zeigen eine Frau, die in ihre Rolle als Chefin hineingewachsen ist. Als Sprecherin der letzten DDR-Regierung lief Merkel in labberigen T-Shirts herum und schnitt in Interviews Grimassen. Die Fotografin Herlinde Koelbl, die Merkel für ihr Projekt „Spuren der Macht“ sieben Jahre lang beobachtet hat, erzählt, dass Norbert Blüm Merkel als Familienministerin rumdirigierte und nicht ernst nahm. Jetzt hat sie das „doofe Pokergesicht“, wie ihre Biografin Evelyn Roll sagt, und trägt schicke Designeranzüge. Ihre politischen Gegner wollen sich nicht mehr öffentlich äußern, berichten die Autoren des Films überzeugend.

Besonders erhellend in diesem gelungenen Porträt sind die Szenen, in denen Kolster und Röller Merkel mit der Kamera begleitet haben. Bei einem Besuch in Merkels Heimatort Templin lädt ein Passant sie auf einen Kaffee ein. Er wird mit einem knappen, kühlen „Nein, ich trinke jetzt nicht mit Ihnen einen Kaffee“ abgewehrt. Den Dank für die Einladung reicht sie erst mit Verzögerung nach. Der schroffe Umgangston beschränkt sich offensichtlich nicht auf ihre Mitarbeiter. Angela Merkel ist einfach so.

Ganz das Gegenteil also von Gerhard Schröder, dem der zweite Film „Gerhard Schröder: Wer nicht kämpft, hat schon verloren“ (23. 8., 20.15 Uhr) gilt. Weil Schröders Geschichte schon bekannt ist, haben sich die Autoren Anke Becker-Wenzel und Peter Frey auf die vergangen drei Jahre konzentriert: Agenda 2010, Rücktritt vom Parteivorsitz, Hartz-IV-Demos, Wahlverluste und schließlich die Vertrauensfrage. Was den Kanzler dann noch motiviert, sich in den Wahlkampf zu werfen, und wie sich seine gute Laune erklärt, wollen sie wissen und interviewten neben den Beobachtern des politischen Betriebs auch den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und den russischen Staatschef Wladimir Putin. Schröder setzt gerne alles auf eine Karte, erzählen die Beobachter. Dass er dabei wenig sorgfältig arbeitet, ist sein Problem geworden. Ob seine öffentliche Umgänglichkeit ihn da noch vor dem Wahlsieg von Angela Merkel retten kann, erscheint im Lichte dieser Einschätzungen unwahrscheinlich.

Die sehenswerten Porträts führen dem Zuschauer unterhaltsam und informativ zwei Kontrahenten vor, die beide ehrgeizig und machtbewusst sind, aber sehr unterschiedliche Wege nehmen, um ans Ziel zu kommen – und das mit zunehmend unterschiedlichem Erfolg.