: Ein Licht- und Schattenspiel
Die Kinos in NRW ringen um jeden Besucher. Heute wird über die Zukunft des momentan geschlossenen Marler „Loe-Studios“ entschieden. Die Chancen für das Kino stehen „fifty-fifty“, sagt Inhaber Sareika.
VON MAREN MEIßNER
Sollten die Verhandlungen mit Geldgebern heute Abend scheitern, wird die Stadt Marl kinolos. Für Sebastian Sareika, dem das Loe-Studio gehört, das einzige Kino der Ruhrgebietsstadt, geht es um die Existenz: „Ich bin 23 Jahre alt, wäre dann arbeitslos und hätte einen Riesenberg Schulden“.
Marl war schon zwei Jahre ohne Lichtspielhaus, der Vorbesitzer des Kinos habe es „heruntergewirtschaftet“, erzählt Sareika. Im März gab es dann die Wiedereröffnung – zur Premiere erschien sogar Starregisseur Sönke Wortmann. Die Besucherzahlen in den darauf folgenden Monaten seien gut gewesen. „Aber der Juni hat uns schon sehr weh getan“, erzählt Sareika. Die großen Hollywood-Blockbuster wie das Weltuntergangsszenario „Krieg der Welten“ oder die Komödie „Madagascar“ wollten viele potentielle Kunden lieber in den großen Multiplex-Kinos der umliegenden Städte Gelsenkirchen und Recklinghausen sehen.
Eine Entwicklung, die Britta Lengowski, Abteilungsleiterin für Vertriebs- und Kinoförderung bei der Filmstiftung NRW, nur bestätigen kann. „Besonders, wenn es in Orten lange Zeit kein Kino gegeben hat, sind die Leute erstmal weg“, sagt sie. Nur durch anhaltende Werbekampagnen gelinge kleineren Kinos deshalb ein guter Start.
Doch das Geld für lange Werbeaktionen fehlte Sareika – schließlich hatte er bereits einen Großteil des Kapitals in die komplette Renovierung des Kinos gesteckt. Als dann die Besucherzahlen sanken, begannen seine finanziellen Probleme.
Seit Anfang August macht das „Loe-Studio“ nun „Filmpause“ – mit ungewissem Ausgang. Dabei erfährt der Kinounternehmer Unterstützung durch Marler Vereine und Parteien. Durch die Aktion „1.000 Karten jetzt!“ sollten die Marler animiert werden, Karten vorzubestellen und so die Zukunft ihres Kinos zu sichern – bisher wurden immerhin 600 Karten verkauft. Sareika freut sich, „dass sich so viele Leute für mein Kino einsetzen“. Im Stich gelassen fühlt er sich allerdings von der Stadt Marl: Zwar gibt es auf deren Homepage mittlerweile einen Link zur Seite des „Loe-Studios“, sonst bekomme er allerdings wenig Unterstützung. „Ich bin sehr enttäuscht über die Stadt“, so Sareikas Fazit.
Gründe für die stagnierenden Besucherzahlen in seinem Kino fallen Sareika schnell ein. Die Lage der „Loe-Studios“ sei ein wesentlicher Faktor. Im Stadtteil Marl-Hüls habe es nicht nur sein Kino schwer, sondern auch die Einzelhändler: Geschäfte schließen, Einwohner wandern ab.
„Man muss sich das Umfeld sehr genau angucken, in dem man ein Kino eröffnen will“, sagt auch Eva Matlok, Geschäftsführerin der AG Kino Gilde, dem Interessenverband der Filmkunsttheater in Deutschland. Es gelte, regionale Besonderheiten wie hohe Migrantenzahlen, bestimmte Bevölkerungsstrukturen und natürlich die Kinolandschaft vor Ort zu bedenken. „Es gibt besonders im Ruhrgebiet auch einen starken Verdrängungswettbewerb“, sagt sie. Die Konkurrenz durch Multiplexkinos dürfe man nicht unterschätzen. Zwar sprechen die Großkinos vor allem Teenies und junge Erwachsene an, während das ältere Publikum kleinere Kinos bevorzuge. Trotzdem habe es in den letzten Jahren einen allgemeinen Trend zu großen Kinokomplexen gegeben, der kleinen Familienunternehmen zu schaffen machte. Da mittlerweile die Zahlen für Neueröffnungen von Multiplexen wieder rückläufig sind, gibt es eine Chance für Kleinunternehmer wie Sebastian Sareika.
Auch Britta Lengowski sieht diese Chancen: Das Kino als „kultureller Treffpunkt“ sei vielen Besuchern zunehmend wichtig. „Unterschiede zwischen Multiplexen und kleinen Kinos bestehen auch im Service“, sagt sie. Ein Café, mehrere Servicekräfte und eine familiäre Atmosphäre können die Antwort auf anonyme Massenkinos sein. Zudem müsse das Programm sorgfältig den Bedürfnissen der potentiellen Kunden angepasst werden - „Nischensuche“ sei das Zauberwort für Betreiber kleiner Kinos. Oftmals sei es die beste Antwort, Hollywood-Blockbuster den Großkinos zu überlassen.
„Da können wir gegen die Multiplexe nicht ankämpfen“, sagt auch Sareika. Er überlegt deshalb, die Programmstruktur seines Kinos zu ändern. „Ich will mehr in Richtung Programm- und Familienkino gehen“, sagt er – vorausgesetzt, er erhält die nötige finanzielle Unterstützung.
Eine richtige Überlegung, wie Britta Lengowski und Eva Matlok bestätigen. Im Programmkinobereich gebe es noch Wachstumspotenzial. Vielleicht befinde man sich sogar in einer Trendwende, vom Kinosterben zurück zur Kinovielfalt. „Ich bin hoffnungsvoll“, so Lengowski, „dass in den nächsten Jahren der Anteil der kleinen Kinos wenigstens stabil bleiben wird“.