Offener Kanal zeigt „Nazi-TV“

Der NPD-Landesvorsitzende Claus Schade gibt auf dem Offenen Kanal ein 45-minütiges Interview. Rechtsextreme Wahlpropaganda, beschweren sich einige Zuschauer. Doch die Sendeleitung und die Medienanstalt wiegeln ab

Wenn auf dem Offenen Kanal Berlin (OKB) Sendungen wie „Jesus ist der Weg – gelebte Jüngerschaft“, ein Bericht über die „Friedensformel“ oder eine Reportage über die „CSU-Astronautin Monika“ über die Fernsehbildschirme flackern, warum dann nicht auch mal ein Interview mit dem Berliner NPD-Landesvorsitzenden Claus Schade?

Meinungsfreiheit oder rechte Wahlkampfpropaganda – seitdem der freie OKB-Journalist Bernd Zikeli 45 Minuten lang den NPD-Funktionär vor laufender Kamera reden ließ, muss sich der Bürgersender vorwerfen lassen, von der NPD unterwandert zu werden. Denn in dem Interview wurde Schade nicht unterbrochen, kritische Fragen blieben auch aus. „Rechtsextreme Wahlpropaganda“ beschweren sich einige, die das Gespräch am Samstagabend zur besten Sendezeit auf dem OKB gesehen hatten. Sie halten es für einen Skandal, Rechtsextremen im Fernsehen so viel Raum zu geben. Doch OKB-Leiter Jürgen Linke wiegelt ab: „Wir leben in einer Demokratie, und die Menschen haben einen Rechtsanspruch zu senden.“

Das Interview mit dem NPD-Chef wurde am 17. Juni schon einmal gesendet. Linke hatte daraufhin das Band der Medienanstalt Berlin-Brandenburg vorgelegt, die dafür zuständig ist, den Sendeinhalt des Offenen Kanals zu überwachen. Aber auch sie befand, dass das Gespräch „nicht zu beanstanden“ sei – „leider“, sagte Medienanstalt-Mitarbeiterin Susanne Grams

„Solange nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird, darf es keine Zensur geben“, so Grams weiter. Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden einer zugelassenen Partei falle unter Meinungsfreiheit. Und dazu gehöre natürlich auch, die NPD zu hören. Die MedienwächterInnen hätten höchstens prüfen können, ob es sich bei dem Interview um eine einseitige Wahlsendung handelt. Doch da stehe im Auszug des NPD-Wahlprogramms mehr drin, als was Schade vor laufender Kamera zu sagen hatte.

Die Auflagen beim Offenen Kanal sind gering. So darf im Prinzip jeder Bürger den Sendeplatz für die selbst produzierten Sendungen unentgeltlich nutzen. Die MitarbeiterInnen vom OKB bieten technische Unterstützung und sind verpflichtet, bei der Produktion der Beiträge zu helfen. Inhaltlich dürfen sie den AutorInnen jedoch nicht hineinreden. Im Gegenzug müssen die Nutzer bei Rechtsverstößen auch selbst die Folgen tragen. Nur Werbung ist verboten, heißt es im Redaktionsstatut.

Doch wo hört Meinungsfreiheit auf und fängt rechtsextreme Wahlpropaganda an? Diese Frage kann Susanne Grams auch nicht eindeutig beantworten. Es zähle der Gesamteindruck.

OKB-Autor und Interviewer Bernd Zikeli ist zumindest kein Unbekannter. Er ist bereits seit einigen Jahren ein aktiver Nutzer und ist vor allem wegen seiner sehr israelfeindlichen Beiträge aufgefallen. Seine Sendungen sind schon mehrmals beanstandet worden, weil sie wegen Rechtslastigkeit aufgefallen sind. Und auch auf Antifa-Seiten wird vor ihm gewarnt. Ob Zikeli selbst der rechtsextremen Szene angehört, wollte OKB-Chef Linke nicht bestätigen. Der Straftatbestand der Volksverhetzung konnte ihm zumindest bisher nicht nachgewiesen werden. FELIX LEE