Das tödliche Kinderspiel

Die Ursache des folgenschweren Hausbrandes in Moabit ist aufgeklärt. Ein Zwölfjähriger löste mit Kokeleien das Feuer aus. Unter den neun Opfern der Katastrophe sind vier Verwandte des Jungen

VON PLUTONIA PLARRE

Der Brand in der Ufnaustraße in Moabit ist aufgeklärt. Polizei und Staatsanwaltschaft teilten gestern mit, dass ein zwölfjähriger Junge aus dem Hinterhaus für das Feuer verantwortlich ist, bei dem in der vergangenen Woche neun Menschen ums Leben kamen. Das strafunmündige Kind habe eigenen Angaben zufolge im Treppenhaus mit Papier gekokelt. Als die Flammen auf einen im Flur abgestellten Kinderwagen übergriffen, sei ihm das Feuer trotz Löschversuchen außer Kontrolle geraten.

Zusammen mit seinem neunjährigen Bruder, der später dazugekommen war, war der Zwölfjährige nunmehr nach Hause ins Hinterhaus geflüchtet. Einer ihrer Angehörigen hatte die übrigen Hausbewohner und die Feuerwehr alarmiert. Die polnisch-stämmigen Jungen sind mit der im fünften Stock des Vorderhauses wohnenden Familie F. verwandt, die bei dem Brand den Vater und drei Kinder verloren hat. Frau F. hatte überlebt, weil sie beim Ausbruch des Feuers bei ihrer im Hinterhaus lebenden Cousine war, um dort Zigaretten zu holen. Die Cousine ist die Mutter der neun- und zwölfjährigen Jungen.

Beide sind aus dem Haus evakuiert. Sei seien in Obhut von Verwandten, das zuständige Jugendamt sei eingeschaltet, hieß es gestern. Nach Angaben des Dezernatsleiter für Branddelikte, Michael Havemann, stand der Zwölfjährige schon frühzeitig in Verdacht. Das Kind sei bekannt dafür, gerne zu kokeln. Bereits vor wenigen Monaten habe es im Keller ein kleines Feuer entfacht. Dabei sei es aber nicht zu größeren Schäden gekommen.

Wie ihre Mutter hätten die Jungen bei ersten Befragungen stets behauptet, im Bett gelegen und geschlafen zu haben. Mieter hätten den Zwölfjährigen aber unmittelbar vor dem Brand im Hausflur gesehen. „Einfühlsame Vernehmungen“ unter Hinzuziehung einer Psychologin, so Staatsanwältin Ines Karl gestern, hätten den Jungen gestern dazu gebracht, ein Geständnis abzulegen. Der neunjährige Bruder habe ein wenig nachgeholfen. Beide Kinder hätten „unglaublich unter Druck gestanden“ und seien zutiefst traumatisiert.

Die Mutter der Jungen halte dagegen an der ersten Version fest, hieß es. Gegen die Frau ist ein Ermittlungsverfahren wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht eingeleitet worden. Außerdem wird es vermutlich Versuche geben, die Sozialhilfempfängerin mit horrenden Schadenersatzforderungen zu überziehen. Staatsanwältin Karl sprach von „lockeren Verhältnissen“ in der Familie. Bei einem geregelten Tagesablauf wären die Kinder um 23 Uhr im Bett und nicht im Treppenhaus gewesen. „Dann wäre der Brand nicht entstanden.“

Der Zwölfjährige sei aber kein Intensivtäter, betonte Karl. Es handele sich einfach um ein Kind, das vom Feuer fasziniert sei und deshalb gezündelt habe. Damit ist der Junge nur einer von vielen in Berlin. 2.800 Brände wurden im Jahr 2004 aufgeklärt. In 160 Fällen waren laut Havemann Kinder die Brandstifter.

Nach dem Brand waren Vorwürfe laut geworden, die Bewohner seien von der Feuerwehr nicht ausreichend informiert worden, wie sie sich zu verhalten hätten. An mangelnden Deutschkenntnissen in dem Haus könne es nicht gelegen haben, sagte Havemann. Noch in der Nacht habe die Kripo mit allen Bewohnern deutsch kommuniziert. „Vielleicht ist durch die Panik von den Hinweisen der Feuerwehr nicht so viel angekommen.“