: Durch die Hintertür
Schöne Momente mit Günther Beckstein (CSU): Der bayerische Innenminister musste sich bei seinem Besuch in Berlin-Kreuzberg von der Polizei abschirmen lassen. Das scheint ihn kaum gestört zu haben
AUS BERLIN SABINE AM ORDE
Langsam wird Kurt Wansner nervös. Aufgeregt läuft der kleine Mann mit der Halbglatze auf dem Gehweg vor dem türkischen Restaurant Hasir auf und ab, immer wieder zückt er das Handy. „Er muss kommen, er wird kommen“, sagt Wansner halb zu sich selbst, halb zu seinen Beobachtern. „Die Polizei versucht ihn abzuhalten, aber das wäre natürlich eine Tragödie.“
Wansner ist Direktkandidat der CDU in Berlin-Kreuzberg, da, wo für die Grünen Christian Ströbele antritt. Für Montagabend hat sich der Christdemokrat einen besonderen Wahlkampftermin ausgedacht: Er hat Günther Beckstein eingeladen, den bayerischen Innenminister und Law- und-Order-Mann, der bald schon Bundesinnenminister sein könnte. Beckstein soll hier, an der Ecke Oranienstraße unweit des Kottbusser Tors, im Herzen des Multikulti- und Protestbezirks also, über Integration diskutieren. Für viele ist das eine Provokation. Eigentlich sollte die Veranstaltung bereits seit mehr als einer halben Stunde laufen.
Doch schon vor Wansner und seinem Gefolge waren natürlich die Demonstranten da: Jusos, die ein Plakat mit der Aufschrift „Antfrustriertenschutzwall“ hochhalten und versuchen, aus Styropor eine Mauer zu errichten. Türkischstämmige Linke, die auf Türkisch „Beckstein raus“ rufen und durchs Megafon verkünden, die Veranstaltung mit „dem Rassisten“ zu verhindern. Autonome, die, ganz klassisch, „Beckstein ist ein Hetzer und Faschist“ brüllen. Dazwischen Plakate, auf denen steht: „Abschieben nach Bayern“. Oder: „Integration sagen sie, Assimilation meinen sie“. Auch Ströbele ist irgendwo. Über 400 Demonstranten haben sich auf den Gehwegen rund um die Kreuzung versammelt, noch fließt der Verkehr.
Dann werden die großen Schaufenster des Hasir geschlossen, die CDU lotst die Journalisten in das kleine Restaurant, wo die Parteifreunde bereits Pils trinken. Plötzlich sitzt Günther Beckstein an der Kopfseite des Raums auf einer Bank, mit kleinen Augen guckt er durch die großen Scheiben auf die Demonstranten. Er lächelt verschmitzt. Ganz so, als freue er sich, denen da draußen ein Schnippchen geschlagen zu haben. Er ist durch die Hintertür gekommen.
Beglückt ergreift Wansner das Mikrofon, doch seine Begrüßung („Der Bezirk setzt große Hoffnungen auf Sie“) geht im Lärm von der Straße unter. Demonstranten trommeln mit aller Kraft gegen die Glasfront. Beckstein bringt das nicht aus der Ruhe. „Ich weiß, das ist keine ganz einfache Gegend hier“, sagt der CSU-Mann. Er schwitzt. Es ist unerträglich heiß in dem kleinen, überfüllten Lokal. Es werden Servietten gereicht.
Als der Bayer ansetzt und seine Haltung beschreibt („Ich will weniger Zuwanderung und mehr Integration“), räumt draußen die Polizei den Gehweg. Sechs Mannschaftswagen fahren vor und bleiben Stoßstange an Stoßstange vor dem Hasir stehen. Vor den Wannen postieren sich Beamte in Kampfmontur. Auf der anderen Straßenseite wird weiter protestiert, doch drinnen stört das nicht mehr.
Hier geht es friedlich zu, das Publikum – Christdemokraten deutscher und türkischer Herkunft, türkische Mittelständler, deutsche Rentner – ist Beckstein wohlgesonnen. Herzlich begrüßt der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde den Gast. Mit ihm als Innenminister, sagt Tacittin Yakin, werde es „ehrlicher, sachlicher und freundlicher“ zugehen.
Beckstein strahlt. Er lobt die bayerische Integrationspolitik, die aus Fördern und Fordern bestehe, fordert islamischen Religionsunterricht, findet, „dass wir mehr für eure Buben und Mädchen tun müssen“, und erzählt von fränkischen Türken, mit denen er befreundet ist. Kritische Fragen kommen kaum. Nur das Nein der Union zum EU-Beitritt der Türkei und zum Doppelpass, das verstehen auch die türkischen Mittelständler nicht. Beckstein verteidigt beides gewohnt offen und locker, auch eine seiner Forderungen, die „den einen oder anderen von euch sicher geärgert hat“: Dass der Verfassungsschutz die Moscheen überwachen soll.
Schnell noch ein Fernsehinterview, dann verlässt Beckstein, gedrängt von seinen Bodyguards, das Restaurant. Eilig steigt er in den Wagen, der jetzt am Vordereingang steht. Eine Tomate fliegt, doch die Autotüren sind längst zu. Dann ist der weg, der Schilys Nachfolger werden will. Unter den Demonstranten glaubt übrigens kaum jemand, dass sich die Situation unter Beckstein verschlimmert.
Kurz darauf verlässt auch die Kreuzberger CDU das Restaurant. „Es ist doch gut, wenn sich die Demokraten durchsetzen“, sagt Wansner zum Abschied. Der Hasir-Chef, der an der Tür steht, antwortet nicht.