Viva la Vulva

Im Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst verteidigten Annekathrin Kohout und Kathrin Weßling die Bilder und Hashtags des Netzfeminismus gegen Kritik

Ihren Followern versucht Kathrin Weßling mit „body positivity“ und politischen Statements ein Vorbild zu sein

Von Sophia Zessnik

Wer den Instagram-Feed öffnet, wird sofort mit süßen Katzenvideos konfrontiert, aber auch mit Hashtags wie #pussypower und „Strategien weiblicher Bildpolitik“, wie Annekathrin Kohout in ihrem vor Kurzem erschienenen Buch „Netzfeminismus“ schreibt. Besonders extrem sind diese Bildpolitiken nicht, weil man als Instagram-Userin den strengen Zensurrichtlinien entsprechen muss, was Netzfeministinnen aber nicht daran hindert, von einer (neuen) feministischen Revolution zu sprechen. Diese findet nicht mehr in Texten und Manifesten statt. Wie viele gesellschaftspolitische Themen lasse sich auch Feminismus heute kompakter gestalten, Hashtags und Fotos sei Dank.

Warum es wichtig ist, den feministischen Diskurs (auch) im Internet zu führen, und wie dieser aussehen kann, wurde am Dienstagabend bei einem Gespräch zwischen Anne­kathrin Kohout und Kathrin Weßling (Autorin, Social-­Media-Expertin und Online-Journalistin) im Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst diskutiert. Moderiert hat René Aguigah, Leiter des Ressorts Kultur und Gesellschaft beim Deutschlandradio.

Netzfeministinnen = Feministinnen im Netz, das mag noch einleuchten. Aber „was hat das mit Bildern zu tun?“, lautete die erste Frage des Moderators. Viele Debatten finden heute im digitalen Raum statt; was dort Aufmerksamkeit generiert, sind aber vor allem Bilder. Was versehen mit den richtigen Hashtags viral geht ist auch „real“? Ja, sagt Kathrin Weßling, denn was im Internet passiere, entspreche längst dem echten Leben: „Sonst würde ich ja zehn Stunden am Tag nicht leben“, so ihr etwas schräges Argument jenen gegenüber, die ihre Instagram-Aktivismus als oberflächlich kritisieren. Ihren elftausend Followern versucht Weßling mit einer Mischung aus „body positivity“, politischen Statements und feministischen Inhalten ein Vorbild zu sein.

Mit solchem #empowerment trage man auch eine Verantwortung, findet die Kultur- und Medienwissenschaftlerin Annekathrin Kohout, die sich in ihrem Buch vor allem den feministischen Bildphänomenen widmet. Sobald man in sozialen Netzwerken etwas poste, betrete man einen öffentlichen Raum, sagt Kohout weiter. Dass diese gesellschaftliche Teilhabe trotz ihrer großen Reichweite von anderen, theoretisch argumentierenden Feministinnen häufig nicht anerkannt oder gar boykottiert wird, empfinden beide Frauen als unsolidarisch.

Feminismus habe sich schon längst aus der intellektuellen Ecke befreit und sei in den Mainstream übergetreten. Mit inszenierten und geteilten Bildern lasse sich heute ganz einfach an Bewegungen teilnehmen. Die Solidarität, die dadurch entstehe, greife ins „reale“ Leben ein, und sei also politisch. So hätten Hashtags wie #metoo dazu geführt, dass Frauen den Mut aufbringen, über ihre Missbrauchserfahrungen zu sprechen.

Ähnlich verhalte es sich mit Bildern: Aufgeschnittene Früchte, die an das weibliche Geschlecht erinnern, Vulven auf T-Shirts oder mit rotem Glitzer versehene Binden, sind nur einige der Symbole, die das Netz fluten. Dem kleinen Exkurs, den Annekathrin Kohout dann in die Kunstwelt unternimmt, indem sie Judy Chicago und ihre Ende der 1970er Jahre inszenierte „Dinner Party“ erwähnt, ist leider nur schwer zu folgen. Schuld daran ist vor allem die Akustik, die der Veranstaltung an diesem Abend nicht ganz wohlgesinnt scheint.

Aber auch ein kurzer Ausflug in die Geschichte des Feminismus blieb unbefriedigend. Um den Ausführungen über die vier Wellen feministischer Debatten folgen zu können, bedarf es gendergeschichtlicher Grundkenntnisse. Die meisten im Publikum mögen dieses akademische Vorwissen teilen, doch was ist mit der vorher so gepriesenen massentauglichen Teilhabe am Diskurs? Diese ließ immerhin die Ausdrucksweise von Frau Weßling nicht vermissen. Ihr möchte man einen Like geben, wenn sie davon spricht, was für ein „Abfuck“ es sei, für sein netzfeministisches Engagement regelmäßigen Shitstorms ausgesetzt zu sein.