: Erntefest in Emden
Das Filmfest Emden-Norderney feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag. Zu sehen dabei viele Filme von Regisseur*innen, denen Drehbuch- oder Filmpreise des Festivals die Türen für weitere Projekte öffneten
Von Wilfried Hippen
Gute Filmfestivals zeigen nicht nur Filme, sie ermöglichen und fördern sie. Dort trifft sich die Branche, man verabredet sich zu gemeinsamen Projekten, und Karrieren werden durch Preise angeschoben. Und wer einen Preis für einen Kurzfilm bekommen hat, kommt später gerne auch mit größeren Projekten wieder. Im 30. Jahr gibt es beim Internationalen Filmfest Emden-Norderney eine ganze Reihe von solchen filmischen Ziehkindern zu sehen. Die Veranstalter sprechen von einem Erntefest. „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt etwa, der auf der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb lief und dort den Alfred-Bauer-Preis gewann, wäre ohne das Filmfest Emden vielleicht nie gedreht worden. Vor drei Jahren gab es nur das Drehbuch.
Der Emder Drehbuchpreis ist einer der wenigen, mit dem Filmprojekte schon im ersten Stadium ausgezeichnet werden. Eine Fachjury trifft eine Vorauswahl aus den eingereichten Drehbüchern (im vergangenen Jahr waren es 74), eine Handvoll von ihnen wird bei der Verleihung in einer szenischen Lesung vorgestellt. Auch für die Autor*innen ist dies oft das erste Mal, dass sie ihre Arbeiten anders als in geschriebener Form erleben.
Nachdem Nora Fingscheidt 2016 das Preisgeld von 10.000 Euro für „Systemsprenger“ bekommen hatte, wurde ihr Projekt in der Branche bekannt und die ersten Türen öffneten sich. Der Film erzählt die Geschichte eines neunjährigen Mädchens, das unter Aggressionsschüben leidet und zwischen verschiedenen Pflegefamilien und Heimen herumgeschoben wird.
Erik Schmitt ist wohl der einzige Filmemacher, der von sich sagen kann, dass all seine Filme auf dem Emdener Filmfest gezeigt wurden. Der Berliner Filmemacher machte sich mit Kurzfilmen einen Namen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie voller liebevoll gebastelter Filmtricks sind – keine digitalen Effekte, sondern gute, alte Techniken wie Stopp-Trick und Doppelbelichtungen.
2013 war Schmitts Kurzfilm „Nashorn im Galopp“ so erfolgreich, dass er sogar das Fördergeld zurückzahlte – was bei Kurzfilmen so gut wie nie vorkommt. Nun stellt Schmitt seinen ersten Langfilm „Cleo“ vor. Er erzählt von einer jungen Frau, die die „Seele von Berlin“verkörpert. Auf ihrer Suche nach dem Glück trifft sie berühmte Berliner wie Albert Einstein, Max Planck oder Marlene Dietrich, gedreht wurde an Dutzenden interessanten Motiven in ganz Berlin. Stilistisch erinnert der Film an „Die fabelhafte Welt der Amélie“, mit Marleen Lohse („Nord bei Nordwest“) hat er eine ähnlich anrührende Hauptdarstellerin.
Der Fotograf und Filmemacher Peter Evers war 2017 mit seinem Kurzfilm „Ausweg“ im Wettbewerb um den Ostfriesischen Kurzfilmpreis. Gewonnen hat er dann aber den Sonderpreis „Ein Schreibtisch am Meer“. Dieses wohl einmalige Inselstipendium lädt zu einem einwöchigen Hotelaufenthalt auf Norderney. Evers nutzte die Reise, um das Drehbuch zu seinem ersten Langfilm „A Gschicht über d’Lieb“ zu vollenden, ein Liebesfilm, der in einem Dorf im Baden-Württemberg der 1950er-Jahre spielt. In Emden läuft er im Hauptwettbewerb des Filmfests um den Bernhard-Wicki-Preis.
In Emden geboren
2006 gewann den „Schreibtisch am Meer“ der in Hamburg geborene Till Endemann, dessen Filme „Vergissmeinnicht“ und „Strafstoß“ in Emden mit Kurzfilmpreisen ausgezeichnet wurden. Dieses Jahr zeigt er seinen für das ZDF produzierten Psychothriller „Im Schatten der Angst“, der vom Duell zwischen einer forensischen Psychiaterin und einem inhaftierten hochintelligenten Serienkiller erzählt. Jonathan Demmes „Schweigen der Lämmer“ ist dabei ein offensichtliches Vorbild.
Für die im ostfriesischen Sande geborene Malona Vogt veränderte ein Treffen auf dem Filmfest mit dem in Emden geborenen Regisseur Wolfgang Petersen ihr Leben. Petersen vermittelte ihr ein Praktikum in einem Studio in Hollywood, wo sie den Filmkomponisten Klaus Badelt kennenlernte und heiratete. Als Malona P. Badelt stellt sie nun ihren Kurzdokumentarfilm „La Historia de Mateo“ vor, der von einer Familie aus Zentralamerika erzählt, die versucht, in den USA Asyl zu beantragen. Die Musik komponierte ihr mit Soundtracks zu Filmen wie „Fluch der Karibik“ sehr erfolgreicher Ehemann. Beide kommen nach Emden, um den neuen Film dort gemeinsam vorzustellen.
In Emden sind erstaunlich viele Filmregisseure geboren. So etwa Felix Randau, der Film in Berlin studiert und vor zwei Jahren den Film „Der Mann aus dem Eis“ drehte, in dem Jürgen Vogel den in der Jungsteinzeit mumifizierten Ötzi spielte. Da Vogel in diesem Jahr den Emder Schauspielpreis verliehen bekommt, können der Regisseur und sein Hauptdarsteller den Film zusammen bei der Veranstaltung „Na Huus – Coming Home“ in Randaus alter Schule, dem Johannes-Althusius-Gymnasium vorstellen. Und der 1980 in Emden geborene Martin Busker präsentiert seinen ersten Langfilm „Zoros Solo“ als Weltpremiere auf dem Filmfest.
Mi, 12. bis Mi, 19. 6., Emden, www.filmfest-emden.de
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