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In Irland von der Rolle

Wiglaf Droste (2): Mit der Nilpferdpeitsche unter den deutschen Kolumnisten auf dem Heiratsmarkt in Lisdoonvarna unterwegs. Im Gepäck: eine Erkältung, Chilli Sauce und Whiskey

Von Ralf Sotscheck

Die Nürnberger Nachrichten hatten ihn mal als „Nilpferdpeitsche unter den deutschen Kolumnisten“ bezeichnet. Aber auch eine Nilpferdpeitsche bekommt manchmal Schnupfen. Wiglaf Droste hatte es erwischt, als wir auf dem Heiratsmarkt an der irischen Westküste in Lisdoonvarna waren, der dort seit 150 Jahren im September stattfindet – aus beruflichen Gründen, versteht sich, denn heiraten wollten wir nicht. Außerdem war Wiglafs Freundin dabei, und sie hätte nicht zugelassen, dass Wiglaf eine rothaarige Bauerntochter aus dem irischen Wilden Westen heiratet.

Dazu wäre er ohnehin nicht in der Lage gewesen. Er lag im Hotelzimmer und kurierte seine Erkältung mit „Hot Chilli Sauce“, die eigentlich tröpfchenweise auf einer Mahlzeit verteilt werden sollte. Wiglaf trank sie direkt aus der Flasche, und um sie herunterzuspülen, benutzte er Black Bush, einen erlesenen Whiskey aus Nordirland. Zwischendurch tauchte er kurz auf, nieste siebenmal und verschwand wieder auf dem Zimmer.

Auf Rosstäuscherkur

Unten im Saal des Hotels tobten die Heiratswilligen auf der Tanzfläche, und auf der Bühne wurde „Mister Lisdoonvarna“ gewählt, wobei es nicht nur um gutes Aussehen, sondern vor allem um die Größe des Bauernhofes ging. Wiglafs Freundin wurde heftig von einem irischen Mercedes-Manager angebaggert, doch als sie ihr mangelndes Interesse bekundete und auf ihren kranken Freund zwei Stockwerke höher verwies, ließ sich der Manager seine Visitenkarte zurückgeben. Offenbar ist bei Mercedes sparen angesagt, sodass man Visitenkarten nicht einfach vergeuden kann. Eine Ehe sollte mindestens dafür herausspringen.

Am nächsten Tag, auf der Rückfahrt nach Dublin, ging die Rosstäuscherkur weiter. ­Wiglaf hatte sich mit ausreichend Fläschchen Chilli Sauce versorgt, aber unterwegs ging ihm der Sprit aus. Wir mussten in der zwar stillgelegten, aber noch über Museum und, wichtiger, Schnapsladen verfügenden Brennerei in Kilbeggan anhalten, um Nachschub zu tanken.

Den Museumsrundgang absolvierte Wiglaf mit Bravour und zudem in neuer Rekordzeit, er bewunderte das alte Mühlrad gebührend und wünschte sich, dass die vielen Whiskeyfässer nicht nur Dekoration wären. Der Museumsrundgang diente nur einem Zweck: Wer die Stationen des Brennvorgangs, die den Stationen des Kreuzes nachempfunden waren, erfolgreich absolviert hatte, bekam am Ausgang zur Belohnung ein Glas Whiskey.

Der Museumsausgang war gleichzeitig der Eingang zum Laden. Dort ließ sich Wiglaf ein Sortiment historischer irischer Whiskeys zusammenstellen. Den Rest der Fahrt verbrachte er beidhändig mit Chilli Sauce und Whiskey beschäftigt. Als wir abends in Dublin ankamen, war seine Erkältung zwar nicht kuriert, aber sie war ihm vollkommen egal. Von allen Wiglaf ­Drostes auf dieser Welt war er der Wiglaf Drosteste!

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