Junger Zion folgt auf grünen Promi Volmer

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Portrait. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Gelsenkirchen

Gelsenkirchen?„Um Schalke drumrum“ soll Kicker-Legende Ernst Kuzorra auf die Frage geantwortet haben, wo denn Gelsenkirchen sei. In der einstigen „Stadt der tausend Feuer“ mitten im Ruhrgebiet sind blau und weiß die dominanten Farben. Da können Rote, Schwarze oder Grüne nicht mithalten. Stolz ist man auf den Fußballtempel, wo auch bei der Weltmeisterschaft 2006 die Kugel rollen wird. Aber: Wenn es gilt eine Elendsregion im Westen auszumachen, landen die überregionalen Medien oft in der Ruhrgebietsstadt. Arbeitslosenquote: deutlich über 20 Prozent.Wer verteidigt den Wahlkreis?Jochen Poß von der SPD. Seit 25 Jahren vertritt der 56-jährige Sozialdemokrat Gelsenkirchen im Bundestag. Als er 1980 erstmals antrat, lag die Arbeitslosenquote in der Stadt noch bei rund acht Prozent. Zwar sind auch im Ruhrgebiet die Zeiten längst vorbei, als alles gewählt wurde, wo SPD draufstand. Doch Poß hatte die Nase immer deutlich vorn.Wer will den Wahlkreis?Wolfgang Meckelburg möchte endlich Poß in der WählerInnengunst übertreffen. Seit 15 Jahren sitzt der CDU-Mann im Parlament – meist auf den hinteren Bänken. Nur einmal musste der Lehrer für kurze Zeit zurück in den Schuldienst, dann rückte er in den Bundestag nach. Jetzt dürfte er den Sprung nach Berlin ohne Umweg schaffen. Der CDU-Kreisvorsitzende ist auf der NRW-Liste seiner Partei abgesichert. Meckelburg ist zurzeit Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit. Die schlechten Wirtschaftsdaten und hohen Arbeitslosenzahlen sollen ihm diesmal ein Direktmandat bringen.Der große Außenseiter?Ein Kopf an Kopf-Rennen um Platz drei lieferten sich Grüne und FDP 2002. Aus dem Rennen ist der grüne Promi Ludger Volmer. Er tritt nicht wieder an. Diskussionen um seine Nebentätigkeiten und die so genannte Visa-Affäre kosteten ihn die Rückendeckung der NRW-Grünen. Robert Zion heißt sein Nachfolger. Einen Listenplatz hat er nicht. Zion müsste also wie sein Berliner Parteikollege Christian Ströbele den Wahlkreis direkt holen. Mit „Grün pur“ und einem selbst kreierten Plakat will Zion punkten. Sein FDP-Gegenspieler ist der Muster-Liberale schlechthin. Der 28-jährige Jurist Marco Buschmann gilt als selbstbewusst und redegewandt, sein Glaube an die Marktwirtschaft als unerschütterlich. Für Buschmann ist der 1966 geborene Zion der „Alt-Linke“. Als „neoliberal“ geißelt der Grüne die FDP. Im Kampf um Platz 3 wird Ralf Herrmann mitmischen. Der WASG-Chef tritt für die Linkspartei an.Die taz-Prognose?56 Prozent der Erststimmen holte der SPD-Politiker Jochen Poß bei der letzten Bundestagswahl. Damit hängt die Messlatte für seine Konkurrenten wohl zu hoch. Wie in den Vorjahren wird ihn der Christdemokrat Meckelburg nach Berlin begleiten. Der gute Listenplatz macht‘s möglich. Für eine Überraschung kann Ralf Herrmann von der Linkspartei sorgen. MANFRED WIECZOREK