meinungsstark:
Märchen von den Friedensbringern
„Unsere Freiheit“, taz vom 7. 5. 19
Es gibt sie also noch: die Feenmärchen, wo die „guten“ Feen als „American liberal“, als „bürgerliche Demokratie“ oder als Friedensbringer Nato dargestellt werden. Und es ist sympathisch, dass jemand an das „Gute“ in Kiew glaubt; ein Kinderglaube gestärkt durch Ansprüche Pseudolinker, die die staatskapitalistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa als „sozialistisch“ zu verkaufen trachteten und deshalb in der Tat – anders als die Linkssozialisten – Solidarnośćin Polen für die Verkörperung der Konterrevolution hielten.
Aber, das, was Stephan Wackwitz betreibt, ist nicht besser als das von ihm Kritisierte, eine abstrakte Negation des anderen Falschen! Denn notwendig wäre es gerade heute, an die Kritik des bürgerlichen Liberalismus, der kapitalistisch formbestimmten Demokratie anzuschließen, wie dies Marcuse und Horkheimer in den 30ern des vergangenen Jahrhunderts formuliert haben. Insbesondere Horkheimers Diktum: „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte vom Faschismus schweigen“, gewinnt vor dem Hintergrund gegenwärtiger Entwicklungen eine erneute und erneuerte Bedeutung. Dies lässt sich auch auf das Geschwafel über „soziale Gerechtigkeit“, mit dem die klassenbasierten Spaltungen und Ungleichheiten in spätkapitalistischen Gesellschaften überspielt werden sollen, beziehen.
Wer angesichts der brutalen Realitäten eines „räuberischen Kapitalismus“ an den „American liberal“ (mit der Folge von 14–16 Millionen Toten als Opfern des US-amerikanischen Geo-Faschismus, wie Richard Falk und Johann Galtung dies nennen) glaubt, sollte zu Grimms Märchen zurückkehren.
Heinz Sünker, Wuppertal
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