: Independence in Oldenburg
FESTIVAL Bis Sonntag werden auf dem 19. Internationalen Filmfest Oldenburg 42 unabhängig produzierte Filme gezeigt. Die Jury für den „German Independence Award“ wird von Mira Sorvino geleitet
VON WILFRIED HIPPEN
Torsten Neumann, der Gründer und Leiter des Oldenburger Filmfest, lässt keinen Trick aus. Und so gibt es wie in Hollywood auch in Oldenburg einen Walk of Fame mit in den Boden eingelassenen Sternen, die besonderen Gästen gewidmet sind und von diesen in einer feierlichen Zeremonie enthüllt werden. Dass diese „Star-Promenade“ direkt vor dem Firmengebäude der Oldenburger Landesbank liegt, ist solch ein offensichtliches Zugeständnis an diesen Hauptsponsoren, dass diese Geste schon fast wieder anrührt. Neumann und seine Mitstreiter mussten schon immer strampeln, um das Festival zu finanzieren. In diesem Jahr war dies besonders schwierig, weil die Stadt ihren Zuschuss um 15.000 Euro kürzte. Wie schon im letzten Jahr merkt man diesen Sparzwang dem Programm an. Mit etwas über 40 gezeigten Filmen ist es deutlich schlanker geworden. Filmreihen wie der Tribut an einen Veteranen des unabhängigen Kinos oder der Schwerpunkt Dokumentarfilm fielen weg und auch die Gästeliste ist deutlich geschrumpft.
Um so erstaunlicher ist, dass in diesem Jahr zum ersten Mal eine Oscarpreisträgerin der Jury für den „German Independence Award“ vorsitzt. Mira Sorvino, die in Woody Allens „Mighty Aphrodite“ aus der Karikatur einer Prostituierten mit schriller Stimme und großem Herz eine unvergessliche Filmfigur machte, konnte von Neumann nach Oldenburg gelockt werden. Wohl nicht unbedingt mit dem inzwischen sechsten Stern auf der OLB-Star-Promenade, den sie am Freitag um 10.45 Uhr einweihen wird, sondern eher, weil ihr neuer Film „Union Square“ auf dem Programm steht. Darin spielt sie eine von zwei extrem unterschiedlichen Schwestern, die dazu gezwungen werden, sich den bislang verdrängten Familienproblemen zu stellen. Die Regisseurin Nancy Savoca gehört zu den alten Freunden des Festivals. Schon 1994 war ihr hier eine Filmreihe gewidmet worden und wohl auch deshalb wird ihr neuer Film hier am Freitag um 20 Uhr auf einer Gala im EWE Forum Alte Fleiwa (noch ein Sponsor, der in einem seiner Gebäude extra einen Kinosaal einrichten ließ) als Internationale Premiere gezeigt.
Solche langjährigen Verbindungen zur amerikanischen Independenc-Scene sind das Besondere an dem Oldenburger Filmfest. So wurde der Veteran Seymour Cassel zu einer Art von Festivalheiligem, der jedes Jahr wieder zu Gast ist und mindestens einen Film mitbringt, in dem er mitspielt. Diesmal ist dies der Debütfilm von Matt Ruskin „Booster“, in dem von kleinen Gaunern in Boston erzählt wird und Cassel wieder einmal einen exzentrischen Gangster gibt. Wie Cassel gehörte auch Ben Gazzara zur Schauspielerfamilie von John Cassavetes, und auch er war schon in Oldenburg zu Gast. Anfang des Jahres ist er gestorben und so ist es fast eine Selbstverständlichkeit, dass ihm hier mit der Präsentation des Dokumentarfilms „Gazzara“ von Joseph Rezwin gedacht wird.
Ein kleines Festival wie Oldenburg, das terminlich so kurz nach Locarno und Venedig stattfindet, hat auch die Chance, dort gezeigte Filme nachzuspielen. Bei der Auswahl hat Neumann dabei schon oft ein gutes Gespür gezeigt, und auch diesmal hat er zwei Treffer gelandet. Der französische Film „The Girl from Nowwhere“ von Jean-Clude Brisseau gewann in Locarno mit dem Goldenen Leoparden den Hauptpreis. Erzählt wird darin von einem älteren Mann, der eine mysteriöse junge Frau trifft, die die Reinkarnation seiner verstorbenen Frau zu sei scheint. In Venedig hatte vor ein paar Tagen der neue Yakuza-Film „Outrage Beyond“ von Takeshi Kitano Premiere. Beide Filme sind als Deutschlandpremieren in Oldenburg zu sehen. Zu den Spezialitäten des Filmfestes zählen schon seit einigen Jahren die Filmvorführungen in der Justizvollzugsanstalt der Stadt. Häftlinge und Gäste werden dort am Samstagnachmittag nach der Vorführung des von Shane Valdes aufgenommenen Musikerporträts „Butch Walker: Out Of Focus“ ein Konzert dieses amerikanischen Songwriters und Sängers erleben. So gibt es in Oldenburg auch noch eine Hommage an Johnny Cash.
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