: Unerwünschte Recherchen
FREIHEIT Zwei in Äthiopien inhaftierte schwedische Journalisten wurden nun begnadigt
Nach 438 Tagen in äthiopischen Gefängnissen wurden am Montag zwei schwedische Journalisten freigelassen. Im Dezember wegen illegaler Einreise und angeblicher Terrorunterstützung zu elf Jahren Haft verurteilt, waren Martin Schibbye und Johan Persson im Rahmen einer fast 2.000 Häftlinge umfassenden Amnestie anlässlich des äthiopischen Neujahrsfests am 11. September von der Regierung in Addis Abeba begnadigt worden.
Verhaftet worden waren Schibbye und Persson Anfang Juli 2011 nach illegaler Einreise aus Somalia ins äthiopische Ogaden. Sie wollten dort den Aktivitäten des schwedischen Ölkonzerns Lundin Oil nachgehen. Eine Firma aktiv in Ländern, die großen Ölkonzernen „zu heiß“ waren und sind. Beispielsweise in den Bürgerkriegsgebieten Sudans oder Äthiopiens. Pikant für die schwedische Regierung: Außenminister Carl Bildt saß bis vor seinem Amtsantritt 2006 im Aufsichtsrat von Lundin Oil. In dieser Zeit entstanden auch die Grundlagen für deren umstrittenes Ogaden-Engagement.
Inwieweit dies das Verhalten Stockholms bestimmte oder nicht: Die schwedischen Regierung agierte jedenfalls zunächst auffallend passiv. Nach der Verhaftung wurde in Frage gestellt, ob es sich bei Schibbye und Persson wirklich um Journalisten handelte und Bildt meinte, sie seien selbst schuld, wenn sie illegal einreisten. Wohlwissend, dass anders eine Berichterstattung unmöglich gewesen wäre. Erst eine breite Medienkampagne führte dazu, dass Stockholm sich bequemte, intensiver für deren Freilassung zu arbeiten. Vor allem nachdem vor einem äthiopischen Gericht eine Terroranklage auf Grundlage manipulierter Beweise inszeniert wurde.
Mutmaßliche Gegenleistung Stockholms für die Freilassung scheint der Verzicht der schwedischen Regierung auf jede öffentliche Kritik an Äthiopien zu sein. Aufgefallen war auch, dass Bildt am vorletzten Sonntag bei der Trauerfeier für den verstorbenen äthiopischen Ministerpräsidenten Meles Zenawi anwesend war. Kein anderes westliches Land war in Addis Abeba auf so hohem politischen Niveau vertreten – nicht einmal die USA.
Zu den Modalitäten gehörte auch, dass Schibbye und Persson einen Auftritt im äthiopischen Fernsehen absolvieren mussten, bei dem sie ihre illegale Einreise bedauerten und sich dafür bedankten, „dass das äthiopische Volk und seine Regierung unsere Entschuldigung angenommen hat“. In einer Erklärung des äthiopischen Außenministeriums wird betont, der Beschluss zur Begnadigung sei getroffen worden, weil die Gefangenen „echte Reue für ihre Verbrechen gezeigt hatten“.
Etwaige Hoffnungen auf eine weniger strikte Medienkontrolle unter Hailemariam Desalegn, dem kommissarischen Regierungschef und vorläufigen Nachfolger von Zenawi, wurden nach Einschätzung von Amnesty International gleich enttäuscht. „Business as usual“ konstatierte die Menschenrechtsorganisation unter Hinweis auf das Vorgehen gegen Temesgen Desalegn, den Chefredakteur der äthiopischen unabhängigen Wochenzeitung Feteh: Dieser war wenige Tage nach der Amtsübernahme durch den neuen Premier festgenommen worden, wurde aber mittlerweile wieder freigelassen.
REINHARD WOLFF, STOCKHOLM