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Archiv-Artikel

schurians runde welten Wir sind Trapattoni

„Benedikt XVI. ist zwar ein Deutscher, aber für mich ist er fast schon ein Italiener geworden.“ (Giovanni Trapattoni)

Weil Giovanni Trapattoni natürlich immer ein schönes Thema für ein Kolumne ist, ist er es erst recht, wenn er sich – wie vorgestern – von 50.000 italienischen Katholikinnen und Katholiken im Kölner Rheinenergie-Stadion feiern lässt. Da der Fußballlehrer des VfB Stuttgart mit Hauptwohnsitz Toskana seine ungeheure Popularität hierzulande vor allem seinem niedlichen Deutsch verdankt und seinem Latino-Temperament, stellt sich nur die Frage, was finden seine Landsleute bloß an Trap, dass sie ins Stadion gehen, um IHN anzubeten?

Antwort: Den Italienern, und jetzt verrate ich ein lang gehütetes Geheimnis, geht es genauso wie uns. Auch sie lachen, wenn Giovanni Trapattoni spricht.

Meine Schwester, die ein paar Kilometer von Trapattonis Haus in Talamone entfernt lebt, meint, ohne rot zu werden, ihr Italienisch sei nicht nur bei weitem besser als das des Abwehrspezialisten. Sie sei vor allem besser zu verstehen – was nicht etwa am Dialekt, sondern schlicht an Traps zerstreuter Sprache, verrutschten Wortspielereien, tapsigen Vergleichen liege, die aus Trapattoni eine Pop-Figur am italienischen Promihimmel machten, von der man nie weiß, ist der Mann einfach nur balla-balla oder steckt ein genialer Plan dahinter.

Vielleicht ist bei dem überzeugten Christen aber auch alles auf seinen Katholizismus zurück zu führen. Der ist ja letztlich auch ein einziges großes Rätsel, das sich klaren Erklärungen und kühler Logik gerne entwindet – und damit auch dem deutschen Fußball recht wesensverwandt. Und so gesehen ist Trap dann in Deutschland genauso zuhause wie der Papst in Rom.

Und nun zur größten aller Fragen: Unser Ex-Kardinal, Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., hat der etwas mit Fußball zu tun?

Außer das Ratzinger nicht umhin kommt, angefeuert zu werden wie ein Stollensportler und in intimeren Momenten den gleichen Arbeitsplatz zu haben – nichts. Rein gar nichts.

Für mich hat das wiederum etwas beruhigendes: Eine Kanzlerin, die beim Überreichen des Weltmeisterschafts-Pokals gewiss genervt auf die Uhr schauen wird und ein Papst aus Fußballdeutschland, der anders als sein Vorgänger, nicht Tor-, sondern stets staubtrockener Glaubenshüter war und vor orgiastischem Fußballtaumel bestimmt nölig warnen wird.

19.8. Wuppertal – 1860

Wäre es anders, wäre Papst Ratzinger fußballaffin, um dieses grausame Wort einmal zu benutzen und sofort wieder auszuspucken, dann könnte er als Bayer etwa mit den Münchner Löwen fiebern, die heute Abend im DFB-Pokal im ehrwürdigen Stadion am Zoo antreten müssen.

Der Wuppertaler SV ist derzeit noch ganz beseelt vom Auswärtssieg in Wattenscheid und damit über den Ex-Trainer Georg Kreß, der seinerzeit den Aufstieg in die Regionalliga bewerkstelligte und dann das Weite suchen musste, weil er keine Lust hatte mit Wuppertals Vereinspräsident Friedhelm Runge einen Trinken zu gehen. Der sieht das natürlich ganz anders, zieh Kreß einen Simulanten und wartet immer noch auf einen Krankenschein von seinem entfleuchten Mitarbeiter. CHRISTOPH SCHURIAN