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Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

Die Operette „Frau Luna“ ist ein herzzerreißendes Schunkelstück von 1899, das der Berliner Piefigkeit sozusagen zu Weltruhm verhalf. Daraus stammen Gassenhauer wie „Das macht die Berliner Luft, Luft, Luft …“ oder „Ist die Welt auch noch so schön“. Doch das Kunststück dieses Singspiels besteht in der dialektischen Volte, dass die Operette auch davon erzählt, dass die Piefigen ihrer Piefigkeit so gerne in ein bunteres Leben entkommen würden: auf den Mond zum Beispiel. Der Komponist Paul Lincke wurde für dieses berolinesische Schlüsselwerk geliebt. Sogar eine Straße wurde nach ihm benannt. Seit 2016 gibt es im Tipi am Kanzleramt eine immer ausverkaufte Kult-Inszenierung des schrullig-verträumten wie tendenziell sinnfreien Singspiels für die kleinen Leute, die wir am Ende alle sind, und unsere kleinen Fluchten und Utopien. Noch in Castorfs Volksbühne hatte sich kein Geringerer als Herbert Fritsch der „Frau Luna“ ebenfalls angenommen. Nun hat sich die Neuköllner Oper vorgenommen, in die Operette etwas Ernst zu bringen und gleichzeitig ihr Grundmotiv neu zu untersuchen: wie nämlich der von der Operette auf den Punkt gebrachte Traum vom anderen Leben trotz seiner Beschränktheit rühren und immer noch anstecken kann. Dazu wurde eine neue Rahmung erfunden: In einer Wohnung eines Berliner Mietshauses wird ein toter alter Mann gefunden. Wochen nach seinem Tod. Man weiß kaum mehr von ihm, als dass er ewig diese Operette hörte. Viel zu laut, weil er eben schon nicht mehr gut hörte, der alte Mann. „Ist die Welt auch noch so schön“ haben Ulrike Schwab und Juliane Stadelmann (nach einem Lied aus „Frau Luna“) ihre musikalische „Einsamkeitsstudie“ überschrieben (Neuköllner Oper: „Ist die Welt auch noch so schön“, Premiere 9. 5., 20 Uhr).

Um Musiktheater der besonderen Sorte handelt es sich auch bei „Ghostdance“, für das sich der Musiker und „Ja, Panik“-Sänger Andreas Spechtl und der Dramatiker Thomas Köck zusammengetan haben und das im vergangenen Jahr beim Wiener Festival Impuls Tanz herauskam. Es handelt sich um eine Reise durch die Sound- und Musikgeschichte und das Gespenst im Titel ist auf Karl Marx’ berühmtes Gespenst des Kommunismus bezogen. Der Abend ist nämlich ein philosophischer und musikalischer Höllenritt durch die Geschichte. Im Theater Ramba Zamba wird er mit dem Ensemble in den Katakomben der Kulturbrauerei nun zu einer Séance über das 20. Jahrhundert ausgeweitet und es klingt nach einer ebenso sehens- wie hörenswerten Angelegenheit! Also hingehen! (Theater Ramba Zamba: „Ghostdance“, 10. & 11. Mai, jeweils 19.30 Uhr)

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