In Sachen Lachen

Eine Filmreihe im Kino Arsenal widmet sich der Commedia all'italiana als komödiantischem Spiegel der italienischen Gesellschaft der 1950er bis 1970er Jahre

Zwei Männer auf der Autobahn: Lebemann Bruno und Jurastudent Roberto in Dino Risis „Il sorpasso“ (1962) Foto: Foto:Arsenal

Von Fabian Tietke

„Papa, du siehst aus wie ein Marsmensch.“ Das war erkennbar nicht die Reaktion, die sich Otello Celletti, ein ehemaliger Arbeitsloser und noch ehemaligerer Soldat vorgestellt hat, als er seiner Familie seine neue Uniform als Motorradpolizist vorführt. Celletti, der zu Beginn von Luigi Zampas Film „Il vigile“ in einer Hausjacke dampfplaudernd durch die Straßen einer Provinzstadt im römischen Umland wirbelt, sich lässig neben einer Gasflasche eine Zigarette ansteckt und beim Einwinken einen Lkw-Fahrer unglücklich macht, hat mit einem Male eine Uniform.

Mit dieser Uniform wird aus dem nervigen, aber nicht uncharmanten Celletti eine wahre Pest für die Nachbarschaft: Pompös krittelt er an allem herum, was ihm unterkommt herum. Vor allem aber ist die Uniform Inbegriff seiner kleinbürgerlichen Aufstiegsfantasien. Alberto Sordi, schauspielerischer Durchschnittsitalieners der Wirtschaftswunderjahre, verkörpert Celletti mit spielender Leichtigkeit. Luigi Zampa, Regisseur des Films, ist neben Dino Risi, Mario Monicelli und Luigi Comencini einer der Protagonisten jener italienischen Spielart der Komödie, die als Commedia allitaliana bekannt wurde. Der Commedia all’italiana als komödiantischem Spiegel der italienischen Gesellschaft von den 1950er bis 1970er Jahre widmet das Berliner Kino Arsenal dem gesamten Mai hindurch eine Filmreihe.

Eröffnet wird die Reihe am Freitag mit Dino Risis „Il sorpasso“. Ein Sportwagen mit einem Mittvierziger drin driftet durch Rom auf der Suche nach einem Telefon. Es ist Sommer, alle Fensterläden sind geschlossen. Am Stadtrand, im Rücken das Umland, vor sich eine der neu errichteten Mietskasernen, findet der Mann endlich jemanden, den er nach einem Telefon fragen kann um einer gewissen Marcella zu sagen, dass er zu spät kommt. Kurz darauf sitzt der Jurastudent aus der Mietskaserne neben dem Lebemann, sie hören Domenico Modugno, Schlagerstar jener Jahre (man denke: „Volare“), und brausen über die Autobahnen. Während Luigi Zampa in „Il vigile“ eine Art verbaler Screwballcomedy abliefert, ist Risis Film näher an einem ins Komödiantische gewendeten Film von Michelangelo Antonioni (auf den der Film auch im Dialog anspielt).

Wie oft bei Dino Risi stehen die beiden ungleichen Männertypen (gespielt von Vittorio Gassmann als Lebemann Bruno und Jean-Louis Trintignant als Jurastudent Roberto) im Zentrum. Der Titel heißt übersetzt: „Das Überholen“ und der deutsche Verleihtitel „Verliebt in scharfe Kurven“ ist in seiner onkelhaften Zotigkeit ziemlich fehlgeleitet.

Ebenfalls am Eröffnungswochenende läuft Mario Monicellis „I soliti ignoti“, der als Gründungsfilm des Subgenres der Komödie gilt. Monicellis Film ist noch deutlich stärker von den Komödien der kommerzielleren Spielarten des Neorealismus geprägt. Monicelli bringt mit Totò, Vittorio Gassmann, Marcello Mastroianni und Memmo Carotenuto eine wahre All-Star-Besetzung in einem Film über eine Bande von Kleinkriminellen aus den römischen Vororten auf der Suche nach dem Großen Coup zusammen.

Am Montag folgt „Il boom“, eine Regiearbeit von Vittorio de Sica, dessen nicht-neorealistische Filme außerhalb Italiens zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Protagonist ist erneut Alberto Sordi, der dieses Mal einen finanziell unfähigen Bauunternehmer auf der Suche nach Geld spielt. Wie nicht selten benutzt de Sica bei der Darstellung gesellschaftlicher Verhältnisse eher den Holzhammer als die zarte Feder, dafür macht „Il boom“ als bitterböse Satire wett, was dem Film an Leichtigkeit abgeht.

Hans-Joachim Fetzer, der schon seit einigen Jahren im Arsenal bezaubernde Retrospektiven zur italienischen Filmgeschichte präsentiert, hat für das Arsenal 21 Perlen der Commedia all’italiana zusammengetragen. Erfreulich zu beobachten, wie sich Zeughauskino und Arsenal in den letzten Jahren gleichermaßen der Komödie als filmischer Form vermehrt widmen. Die Filme der Commedia all’italiana-Retrospektive sind fast alle von 35mm-Kopien zu sehen. Wer nach dem Eröffnungswochenende nicht süchtig nach mehr geworden ist, dem ist in Sachen Lachen im Kino nicht mehr zu helfen. Für alle die es sind, gibt es die gute Nachricht, dass es noch einen ganzen Monat so weitergeht.

Commedia all’italiana: Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2, 3.–31. Mai