piwik no script img

berliner szenenRespekt vor Heinz Galinski

An der Osloer Straße gibt es in Höhe des U-Bahnhofs eine Vollbremsung. Ein Mann springt aus seinem Wagen in Metallicblau. Die Tuningfelgen in Grün-Gelb machen eine perfekte Mischung. Ich habe gehört, in Gropiusstadt fährt man silberne Felgen zu goldenem Lack. In Wedding ist mehr Farbe. Der Mann hat ein Prachtexemplar an grauer Jogginghose und diese richtig geilen Turnschuhe in Blau-Weiß. Die Sonnenbrille hängt an schwerer Bronze auf seiner Brust. Wer glaubt, das sei schlechter Stil, täuscht sich. Seine Kleidung ist seine Würde, und sie strahlt der Sonne entgegen.

Doch der Mann ist sauer, richtig sauer auf seine Mitfahrerin. Die drückt sich in ihrer It-Bomberjacke tief in den Beifahrersitz. In der Hand ihr Phone mit Leopardenfellrücken. Er, der die Schubladen Türkei, Kroatien, Italien und was weiß ich alle bedienen könnte, aber wohl einfach Weddinger ist, reißt ihre Tür auf. Dann rennt er auf den Bürgersteig und zeigt auf ein Straßenschild. Er schreit sie an: „Der Kerl heißt Galinski! Verstehst du? Heinz Galinski! Lies! Er heißt nicht Gagahalinski und auch nicht Linski-Pinski! Er heißt Heinz Galinski!“ Sie nickt stumm und erschrocken, die Leute schauen interessiert. Dann beschließt sie Gegenwehr: „Und wer ist dieser Heinz Galinski? Scheint ja wichtig zu sein.“

„Wenn du nur einmal bewusst hier leben würdest, dann wüsstest du es! Ja, ist wichtig! Und da kannst du auch Respekt zeigen! Mehr als für dein Bushido! Viel mehr!“ – „Ey, was hat Bushido mit deinem Heinz zu tun?“ – „Gar nichts, Schwester! Lern es! Schau in dein Handy! Zauberwort für dich: Wikipedia! Ich geh Kaffee holen! Wenn ich zurück bin, gibst du Referat zu Heinz Ga­linski. Und dann sagst du mir endlich, wo der Blumenladen in Heinz-Galinski-Straße ist! Wir gehen zu Mama nicht ohne Blumen!“

Theresa Heinewald

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen