: In Muscheln blasen
GROSSE WORTE (10) Nächstes Gastland der Frankfurter Buchmesse ist der Südseestaat Neuseeland – beim Literaturfestival gab es einen Vorgeschmack
Anti-Island. Auf diesen Nenner könnte man den Südseestaat bringen: Neuseeland, Nachfolger der urkalten Nordseeinsel als Gastland der Frankfurter Buchmesse. Die Unterschiede sind offensichtlich: Island ist nur eine Insel, Neuseeland besteht aus mindestens zweien. Island hat Geysire und Vulkane, Neuseeland Erdbeben; Island ist kalt, Neuseeland liegt in der Südsee; auf Island spricht man Isländisch, auf Neuseeland gleich zwei Sprachen, nämlich Englisch (lustiger Akzent!) und Maori.
Und hier macht sich der größte Unterschied bemerkbar: Es ist anzunehmen, dass Island irgendwann von Wikingern erstbesiedelt wurde, was auch gar nicht anders denkbar ist – wer wollte sonst schon auf so einer garstigen Insel wohnen? Blutige Kulturkämpfe gab es folglich keine. Neuseeland hingegen wurde im 17./18. Jahrhundert von den Engländern „entdeckt“. Und die fanden sich den Eingeborenen gegenüber, den irgendwann vermutlich aus Polynesien rübergemachten Maori. Nach langen Fehden und Unterdrückung fand die Sprache der Eingeborenen erst 1987 offizielle Bestätigung und ist jetzt zweite Amtssprache neben Englisch und einer Gebärdensprache.
Am Mittwochabend ging es beim Literaturfestival genau darum: um die Kultur und Literatur der Maori. Sechs, sieben DichterInnen traten auf und sprachen frei ins Publikum hinein, schließlich beruht die Maori-Erzählkunst auf oralen Traditionen; Speichermedien gab es lange nicht. Neben den Maori waren aber auch die „Pakeha“ vertreten – Weiße europäischer Abstammung. Übersehen diesmal: die neuerdings stärker werdende Gruppe der asiatischen Einwanderer.
Lustig war es auch so
Aber egal, lustig mit einem merklichen Schlag ins Ethnohafte war es auch so. Es wurde in Muscheln geblasen und es wurden gestenreiche Storys erzählt. Die Damen und Herren aus Neuseeland schienen freundlich und fröhlich gestimmt; sie hatten es endlich von ihrer Insel weg und nach Berlin geschafft.
Dort, am anderen Ende der Welt, ist gerade Winter! Und hier draußen im gerade mal herbstlichen Berlin, auf dem gut angelegten Parkplatz vor dem Haus der Berliner Festspiele, warteten schließlich die weißen Limousinen des Sponsors auf sie. Ein schöner Abend.
RENÉ HAMANN