piwik no script img

Archiv-Artikel

Sex ohne Kopf bleibt gefährlich

Seit Jahren schon steigt die Zahl der HIV-Infektionen in Deutschland wieder. Heute finden im Roten Rathaus ein Symposium und die Reminders Day Aidsgala statt. Eine Plakatkampagne soll aufrütteln

VON TANIA GREINER

Lustvoll umschlungene Körper. Auf der Wiese idyllisch im Grünen. Auf dem Schreibtisch, im Büro. In der Badewanne, zu Hause. Ästhetisch sieht das auf den ersten Blick aus. Dann schockt’s, es fehlt etwas: die Köpfe.

„Kopfloser Sex“ kann tödliche Folgen haben. So lautet die Botschaft der neuen Anti-Aids-Kampagne, die heute Abend auf der Reminders Day Aidsgala im Roten Rathaus der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Tagsüber diskutieren Ärzte und Pharmavertreter auf dem Symposium „HIV im Dialog“ Wege der Prävention. Und die ist in Deutschland wieder bitter notwendig geworden.

Seit Jahren steigt die Rate der HIV-Infektionen wieder an. „Die Gefahren von HIV sind aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden“, sagt Kai-Uwe Merkenich, Geschäftsführer der Berliner Aids-Hilfe und Veranstalter von „HIV im Dialog“. Ebenfalls an der Veranstaltung beteiligt sind das Robert-Koch-Institut, der Arbeitskreis Aids Niedergelassener Ärzte Berlin sowie das Auguste-Viktoria-Klinikum. Der in Deutschland beispielhafte Präventionserfolg der 90er-Jahre sei heute gefährdet. Grund: Das HIV-Virus gilt nicht mehr als gefährlich.

„Wir haben in Deutschland etwa 700 Todesfälle jährlich als Folge der Immunschwächekrankheit“, so Merkenich. Jedes Jahr infizieren sich mehr als 2.000 Menschen. Der Erfolg der medikamentösen HIV-Therapie habe Aids in Vergessenheit geraten lassen.

„Wir müssen davon ausgehen, dass durch die offenen Grenzen Europas die Infizierung weiter steigt“, sagt Keikawus Arastéh, Direktor der Klinik für Innere Medizin beim Auguste-Viktoria-Klinikum. Seit 1986 betreut er HIV- und Aids-Patienten und setzt sich für die Zusammenarbeit mit osteuropäischen Ländern ein. Besorgniserregend sei dort die dramatisch steigende Rate der Neuinfektionen. Nach Schätzungen sei etwa 1 Prozent der ukrainischen Bevölkerung bereits infiziert. „Wir wissen aus Afrika, dass mit dem Erreichen der 1-Prozent-Marke eine gesellschaftliche Krise ausbrechen kann“, so der leitende Arzt. Deshalb gilt sein Appell der Politik. „Wir benötigen in Deutschland dringend eine Person, die politische Verantwortung für die HIV-Prävention übernimmt.“

Die Aidsgala am heutigen Abend will aber auch die Leistungen bisheriger Präventionsarbeit würdigen. Der diesjährige ReD-Award international geht an die thailändische Pharmazeutin Krisana Kraisintu. Sie ermöglichte den kostenlosen Zugang zu Aids-Medikamenten in Thailand.

In Berlin gibt es mittlerweile drei Aids-Benefizveranstaltungen. Der Reminders Day mit Party macht dieses Jahr den Anfang. Am 5. November folgt die Aidsgala der Deutschen Aids-Stiftung in der Deutschen Oper. Am 21. November findet die Gala „Künstler gegen Aids“ im Theater des Westens statt, initiiert von der Berliner Aids-Hilfe.